Herbert List

Das Magische Auge

No. 02/2022

In der Geschichte der Fotografie hat Herbert List den Rang eines einzigartigen intellektuellen Bilderträumers, der seine rätselhaften Sujets in elegantem Schwarz-Weiß aus der Alltäglichkeit der abgelichteten Realität herauszuheben wusste. Das Bucerius Kunst Forum widmet ihm eine Retrospektive, die den Bogen spannt von surrealistischen Werken vor 1945 über Bildreportagen außereuropäischer Kulturen und dem Kriegsende in München bis hin zu Männerakten als Bekenntnis seiner Homosexualität.

Herbert List, Unter dem Poseidontempel, Sounion, um 1936, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus

Bevor Herbert List (1903–1975) die Welt durch das Kameraauge zu entdecken begann, lebte der Hamburger Kaufmannssohn in vollen Zügen die Freizügigkeit der Jeunesse dorée der 1920er Jahre. Die kosmopolitische Kultur, die er auf zahllosen Reisen erlebte, wurde zur Grundlage seiner Kunst. 1930 brachte ihn Andreas Feininger zur Fotografie. List, der die Möglichkeiten des Mediums von Anfang an intuitiv künstlerisch nutzte, ging es oft um gestellte Kompositionen von statischer Gegenständlichkeit und grafischer Wirkung, die durch Helldunkelkontraste oder Überblendungen definiert sind und Interpretationsspielräume offen lassen.

Der fast 300 Seiten starke und mit neuem Material aufwartende Ausstellungskatalog deckt in Bildstrecken und Texten die gesamten 30 Schaffensjahre von Herbert List ab, seine homoerotischen Inszenierungen von Leib und Licht genauso wie seine ikonischen Künstlerporträts und seine späten Straßenfotografien mit der schnellen Kleinbildkamera – eine lustvolle Entdeckungsfahrt für das mitdenkende Auge. mk

Cover für Herbert ListHerbert List. Das Magische Auge
Bis 11. September 2022
Bucerius Kunst Forum Hamburg
Katalog zur Ausstellung
Hrsg. Kathrin Baumstark, Ulrich Pohlmann
288 Seiten, 318 Abbildungen in Farbe
Hirmer Verlag € 45,–