Hautnah

Skulpturen, die atmen

No. 03/2018

Das immer wieder faszinierende Spiel von Illusion und Wirklichkeit lässt sich bis zum 21. Oktober in der Ausstellung Almost Alive. Hyperrealistische Skulptur in der Kunst in der Kunsthalle Tübingen im wahrsten Sinne des Wortes „hautnah“ erfahren.

Carole A. Feuerman, General’s Twin, 2009, © Carole Feuerman

Die 30 Exponate umfassende Schau nimmt den Anfang der 70er Jahre in den USA entstandenen Hyperrealismus zum Ausgangspunkt: Damals begegnete man im Museum plötzlich Einkaufswagen schiebenden, dickbäuchigen Durchschnitts- Amerikanern in Shorts und Sonnenbrille und wusste nicht, ob man seinen Augen noch trauen konnte. Duane Hanson stellte seine Modelle so lebensecht dar, dass man selbst aus nächster Nähe nicht sicher sein konnte, ob es sich nicht vielleicht doch um Menschen aus Fleisch und Blut handelte. Die Skulpturen resultierten damals aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem American Way of Life, der Massengesellschaft und den politisch-sozialen Verhältnissen im Land. Zeitgenössische Künstler wie Ron Mueck, der in der Schau mit einem fünf Meter langen Neugeborenen vertreten ist, oder Marc Sijan mit einem aneinandergeklammerten nackten Liebespaar zeigen mit ihren veristischen Darstellungen Menschen in seelisch existenziellen Ausnahmezuständen: Sie sind jedem Betrachter vertraut und lassen deshalb niemanden unberührt. ck

Cover für Almost AliveAlmost Alive
Bis 21. Oktober 2018
Stiftung Kunsthalle Tübingen

Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 29,90