Geht doch!

Wie bauen wir in der Zukunft?

No. 04/2017

Vergleicht man die architektonische Experimentierfreude beim Wohnungs- und Städtebau der 1960er und 70er Jahre mit der heutigen Architektur, wirkt diese in ihrer Kleinbürgerlichkeit bedrückend ängstlich. Was ist aus den gebauten Utopien geworden? Sieben unterschiedliche Architekturbeispiele aus Europa zeigen, dass es auch anders ginge.

Jean Renaudie und Renée Gailhoustet, Wohnbauten, Ivry Sur Seine, Paris, © Johanna Diehl

Vater, Mutter, Kind – noch immer werden überwiegend Wohnungen gebaut, die auf die traditionelle Kleinfamilie oder auf Singles zugeschnitten sind, meist in fantasieund gesichtsloser Weise. Auch der soziale Wohnungsbau, der rein unter marktwirtschaftlichen Aspekten gesehen wird, fördert mit seiner oft seelenlosen Architektur eher die gesellschaftlichen Probleme. Man fragt sich, wo die Wohnmodelle sind, die den Anforderungen unseres modernen Zusammenlebens gerecht werden. Alters-WGs, Alleinerziehende, Homeoffice, Singles, die sich zur Großfamilie zusammenschließen, oder andere unkonventionelle Lebensgemeinschaften finden im aktuellen Wohnungsbau wenig Resonanz. Die Lösung dafür könnte in der Vergangenheit liegen.
Die Fotografin Johanna Diehl und der Journalist Niklas Maak haben Architekten besucht, die größtenteils noch in den von ihnen in den 60er Jahren entworfenen, damals wie heute utopisch anmutenden Häusern und Wohnungen leben, darunter die Architektin Renée Gailhoustet. Sie revolutionierte den sozialen Wohnungsbau mit ihren in Paris errichteten begrünten Terrassenhäusern, bei denen pyramidenartig Gemeinschaftsräume wie Kita oder Supermarkt mit Wohnungen überbaut wurden. Oder Hans Walter Müller, der seit 1968 in einem aufblasbaren Haus lebt und mit seinen pneumatischen Bauten zeigt, wie Gebäude dort entstehen können, wo man sie rasch braucht, wie etwa Restaurants oder Notunterkünfte. Bis heute funktionieren diese realisierten Architekturideen bestens und beweisen, dass Utopien durchaus gelebt werden können. cv

Cover für EurotopiansEurotopians
Fragmente einer anderen Zukunft
dt. und engl. Ausgabe
Von Niklas Maak und Johanna Diehl
Hirmer Verlag € 34,90