Fresko-Kunsträtsel
No. 02/2025
Wer bin ich?
In die Stadt, die ich Jahre später mit meiner Architektur aus dem Dornröschenschlaf erweckte und mich dort zum erfolgreichsten Architekten meines Jahrhunderts aufschwang, kam ich als Flüchtling. Zusammen mit meiner Frau und deren Bruder musste ich das kleine, dem Untergang geweihte Königreich, in dem ich als junger Hofarchitekt gewirkt hatte, aus politischen Gründen verlassen. Es war nicht leicht, beruflich wieder Fuß zu fassen. Erst nach dem dritten Bewerbungsgespräch konnte ich den neuen Fürsten, für den ich rund 30 Jahre arbeiten sollte, von meinen Fähigkeiten überzeugen. Diese waren nicht nur fachlicher Natur, schon früh hatte ich gelernt, mich trotz meiner bescheidenen Herkunft auf dem glatten höfischen Parkett geschmeidig zu bewegen. Die einen sagten mir diplomatisches Geschick nach, die anderen nannten mich intrigant, an Neidern mangelte es mir mein gesamtes Leben nicht.
Die Zusammenarbeit mit meinem Chef, der damals noch Kronprinz war und bei seinem Vater unter dem Label „mein verrückter Sohn“ rangierte, war kongenial: Er hatte die visionären Ideen, ich setzte sie um. Lange Zeit waren wir ein perfektes Team, auch wenn ich viel zurückstecken musste. Jedes Detail, jede Mauernische, jeden Treppenvorsprung wollte er mitbestimmen und quälte damit meinen schöpferischen Geist. Und dann seine ständigen Affären, die ich – vor allem wenn wir nach Italien reisten – in gewisser Weise mittragen musste und dafür den Zorn seiner Frau auf mich zog. Aber genug geseufzt. Schließlich gelangte ich durch ihn, der mittlerweile König geworden war, zu erheblichem Reichtum und Ansehen im In- und Ausland. Selbst Kritiker mussten eingestehen, dass meine Architektur edel sei und „das Herz befreit“, so ein zeitgenössischer Dichter, der für seine Spottlust bekannt war. Aber irgendwann begann mein Stern zu sinken. Der König wandte sich immer mehr von mir ab, ließ mich wissen, dass „Konkurrenz das Geschäft belebe“ und holte ausgerechnet meinen ärgsten Rivalen an seinen Hof. Dass ich drei Jahre später in den erblichen Adelsstand erhoben wurde, war nur ein geringer Trost für die Tatsache, dass ich zunehmend an Einfluss verlor und mich Jahre später – mein Brotherr hatte mittlerweile abgedankt – gezwungenermaßen aufs Altenteil zurückzog – wer bin ich?
Wer bin ich? Das Kunsträtsel mit Gewinnchancen Unter den richtigen Einsendungen verlost der Hirmer Verlag fünf Bücherpakete im Wert von € 100,– Einsendungen an: fresko1@hirmerverlag.de Einsendeschluss am 22. November 2025 Auflösung des Kunsträtsels aus Fresko 01/2025: Francisco de Goya (1746–1828)