Fresko-Kunsträtsel

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No. 03/2019

Wer bin ich?

„Ich hoffe, die Abreise ist fröhlich“, schrieb ich, kurz bevor ich starb, ebenso erbat ich vom Schicksal, „nie mehr wiederzukehren“. Beides war mir vergönnt: ein sanfter Tod und mein Verbleib im Jenseits. Obwohl ich durch die Allgegenwart meiner Kunstwerke – viele davon Selbstbildnisse – manchmal das Gefühl habe, wieder auferstanden zu sein. Die Intensität meiner Bilder fasziniert bis heute die Betrachter, vielleicht, weil sie auch das widerspiegeln, was in meinem Leben oft im Überfluss vorhanden war: Liebe, Lebenslust, Leidenschaft, Schmerz, Verzweif‌lung, Todessehnsucht. So „einfach“ sie zum Teil auf den ersten Blick wirken mögen, so tiefgründig sind ihre Botschaften.

Durch eine meiner ersten schweren Lebenskrisen, in der ich ans Bett gefesselt war, fand ich zur Malerei, ein gewisses Kunstinteresse war durch meinen Vater, der als Architekturfotograf bis zur Revolution arbeitete, bereits in der Familie vorhanden. Er stammte aus Deutschland und war als junger Mann wegen seiner „bösen“ Stiefmutter ausgewandert. Durch ihn lernte ich nicht nur das Fotografieren, er brachte mir auch die Liebe zur Literatur nahe. Wir hatten eine großartige Bibliothek zu Hause, die ich förmlich aufsaugte: Klassiker, moderne Dichter, Sachbücher über Medizin und die damals noch junge Psychoanalyse, aber auch Lektüren über Zauberei und Hexenkunst fesselten mich.

Als ich 17 Jahre alt war, sah ich erstmals meinen Mann, er malte eine Sonne an die Wand unserer Schule. Fünf Jahre später trafen wir uns in Künstlerkreisen wieder, in denen ich mittlerweile als Malerin verkehrte, wir verliebten uns ineinander, heirateten, betrogen und trennten uns, heirateten und betrogen uns erneut. Ich liebte ihn bis zu meinem Lebensende, der Gedanke an ihn war es, der mich immer wieder vom Suizid abhielt, ich war „so eitel zu glauben, ich würde ihm fehlen“, wie ich meinem Tagebuch anvertraute. Die Trennung von ihm hatte mir neue Energie für meine Malerei verliehen, ich wollte mich von ihm unabhängig machen, kümmerte mich verstärkt um Ausstellungen und Verkäufe meiner Bilder. Anerkennung für meine Kunst erfuhr ich erst kurz vor meinem Tod. Mein Mann, der mich um drei Jahre überlebte, hütete meinen Nachlass eifersüchtig. Erst einige Zeit später tauchten Dinge wie Briefe und meine Kleider auf, die ein Markenzeichen von mir waren, und vervollständigten das Bild, das heute von mir existiert – wer bin ich?

Wer bin ich?
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Einsendeschluss am 13. November 2019
Auf‌lösung des Kunsträtsels aus Fresko 02/2019:
William Turner (1775–1851)