Fresko-Kunsträtsel

No. 02/2019

Wer bin ich?

„Wie eine wütende Henne“ sei ich in meinem Haus herumgestampft, erzählte man sich, nachdem ein Gemälde, vom Publikum abgelehnt und anschließend beschädigt, von einer Münchner Ausstellung wieder zu mir zurückgeschickt wurde. Der Gipfel der Unverfrorenheit war, dass ich den Rücktransport bezahlen sollte. Ich schätzte es nicht, wenn mir und meiner Kunst nicht der gebotene Respekt entgegengebracht wurde, Bescheidenheit war nicht meine Stärke. Schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt bereits Professor an der Akademie und zumindest in meinem Land ein vielgelobter Künstler, der „Maler des Weiß“.

Meine erste Ausstellung, ich war noch ein Kind, fand zwischen Rasierpinsel und Perücken statt, im väterlichen Barbier- und Perückenmacherladen. Vor allem mein Vater förderte mein Talent, meine Mutter war durch eine Nervenkrankheit geschwächt, an der sie schließlich auch starb. Beiden Eltern ließ ich später in der Gemeindekirche ein Denkmal errichten. Mit 14 trat ich in die Akademie ein, ein Jahr später stellte ich dort mein erstes Aquarell aus, mit 27 war ich das bis dahin jüngste „Vollmitglied“ – man übertreibt also nicht, wenn man mich als Wunderknabe bezeichnete. Ein Wunderknabe, der kaum stillsitzen konnte. Immer musste ich in Bewegung sein, am liebsten wollte ich reisen. Hatte ich als Kind auf dem Rücken liegend noch stundenlang den Wolken zugesehen, wollte ich als Erwachsener mit ihnen in fremde Länder ziehen. Das war zu meiner Zeit nicht einfach, ständig wurde ich durch irgendwelche Kriege behindert, sodass ich manches Land „wie im Fluge“ bereisen musste. Meinen Bildern läge „mehr Vorstellungskraft zugrunde“ als alles bis dahin Gesehene, schrieb T‌he Times. Das war sehr freundlich gemeint, traf aber nicht ganz den Kern, denn meine Arbeiten lebten vor allem von dem Erlebten. Einmal ließ ich mich während eines Sturms sogar an den Mast eines Schiffes binden, um später meine Eindrücke im Bild festzuhalten. Dass das Gemälde von manchen Kritikern als „Seifenlauge und Tünche“ verspottet wurde, tat meinem Erfolg keinen Abbruch. Je berühmter ich wurde, desto zurückgezogener lebte ich im Alter – allein, denn meine frühere Rastlosigkeit hatte keine feste Bindung oder gar Heirat erlaubt. Mit 76 Jahren, kurz vor Weihnachten starb ich und wurde in einer gleichnamigen Kirche wie jene, in der ich getauft wurde, beigesetzt. Nur dass diese um das Vielfache größer war – wer bin ich?

Wer bin ich?
Das Kunsträtsel mit Gewinnchancen
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Einsendeschluss am 31. Juli 2019
Auf‌lösung des Kunsträtsels aus Fresko 01/2019:
George Stubbs (1724–1806)