Erasmus Grasser

Der Revoluzzer der Gotik

No. 02/2018

Mit der Sonderausstellung Bewegte Zeiten. Der Bildhauer Erasmus Grasser präsentiert das  Bayerische Nationalmuseum zum 500. Todesjahr die erste Werkschau eines Künstlers, der mit seinen expressiven und emotionalen Figurenkompositionen die süddeutsche Kunstlandschaft revolutionierte und bis heute in kirchlichen Traditionen fest verankert ist.

Erasmus Grasser, Moriskentänzer „Zauberer“,1480, Münchner Stadtmuseum, © Münchner Stadtmuseum, Foto: Gunter Adler, Ernst Jank

Sie sind aus dem Münchner Stadtbild nicht wegzudenken: der heilige Petrus als zentrale Figur im Hochaltar vom Alten Peter, an dem traditionell bei der Papstwahl mittels einer barocken Tiara die Krönungszeremonie nachvollzogen wird. Die launigen Morisken, die einst unterm bunten Wappenhimmel des Tanzsaales in sechs Meter Höhe tanzten und vor rund 100 Jahren, mit liebevollen Beinamen wie „Hochzeiter“, „Zauberer“ oder „Burgunder“ ausgestattet, ihr neues Zuhause im Stadtmuseum bezogen. Oder die 32 anmutigen Heiligenbüsten, die als monochrome Schnitzereien im Chorgestühl der Frauenkirche ihre psychologische Wirkung entfalten. Diese und viele andere Exponate aus der Hand des spätgotischen Bildhauers Erasmus Grasser (um 1450–1518), die sich über den gesamten süddeutschen Raum verteilen, können bis zum 29. Juli im Bayerischen Nationalmuseum aus unmittelbarer Nähe eingehend studiert werden. Es ist eine „bewegende Zeit“, die der Ausstellungsbesucher in den gut ausgeleuchteten Räumlichkeiten erlebt, denn Erasmus Grasser als gebürtiger Oberpfälzer glänzte am Vorabend der lutherischen Reformation mit seinen innovativen Bildfindungen und einem unvergleichlichen expressiven Figurenstil, mit dem er es 1477, bereits nach zwei Jahren Zugehörigkeit in der Münchner Zunft, zum Innungsmeister brachte. Die Vielzahl gezeigter Meisterwerke nebst persönlichen Dokumenten Grassers sind in einen 400-seitigen Prachtband geflossen, der mit Themen wie „München um 1500“, „Zeitgenossen und Konkurrenten“ und „Kleidung in Grassers Werk“ umfassende Forschungen präsentiert. Zu den vielen Stücken, die dafür neu fotografiert wurden, zählt das eingehend konservierte Retabel aus der Ramersdorfer Marienkirche, dessen Verehrung am 15. August es erforderte, die Schau kurzerhand um sechs Monate vorzuverlegen. Das Museum hat wohl auch bewegte Zeiten hinter sich, könnte man meinen. af

Cover für Bewegte ZeitenBewegte Zeiten
Der Bildhauer Erasmus Grasser
Bis 29. Juli 2018
Bayerisches Nationalmuseum München

Ausstellungskatalog
Hirmer Verlag € 45,-