Ein ungelöstes Rätsel der Kunstgeschichte

Der Meister von Meßkirch

No. 01/2018

Von Wilfried Rogasch

Zu den ungelösten Rätseln der Kunstgeschichte im deutschen Südwesten zählt die Frage, wer sich hinter dem Notnamen „Meister von Meßkirch“ verbirgt. Namensgebend für den Künstler war der prachtvolle ehemalige Hochaltar der Pfarrkirche St. Martin in Meßkirch. Er stellt im Mittelbild die Anbetung der Heiligen Drei Könige dar, die gleichzeitig drei Lebensalter symbolisieren. Ein besonderes Kleinod ist der Wildensteiner Altar, der im geöffneten Zustand auf der Mitteltafel eine Mondsichelmadonna zeigt, die von 14 Heiligen umgeben ist. Diese sind die Namenspatrone der Familie Zimmern.

Meister von Meßkirch, Wildensteiner Altar (geöffneter Zustand), Staatsgalerie Stuttgart

Seit über 100 Jahren haben Forscher ein umfangreiches Gesamtwerk zusammengetragen, das sie dem unbekannten schwäbischen Maler der Reformationszeit zuschreiben. Die Qualität seiner Arbeiten führt eindrucksvoll vor Augen, dass es sich um einen der bedeutendsten deutschen Maler der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts handelt. Prachtvolle Farben, Gewänder, deren Stofflichkeit greifbar erscheint, und Heilige mit unverwechselbaren Charakterköpfen prägen seine Bilder. Zur Enttarnung des Künstlers wurden neben stilkritischen Analysen auch neueste kunsttechnologische Techniken angewandt. Aber die grundsätzliche Frage nach der Identität des Künstlers bleibt weiterhin ungelöst. Das dem Maler zugeschriebene OEuvre umfasst sowohl Themen aus der christlichen Heilsgeschichte als auch einige Bildnisse und ist etwa zwischen 1515 und 1540 entstanden.

Anders als viele seiner Zeitgenossen wie Dürer oder Cranach wandte sich unser Künstler nicht der Reformation zu, sondern blieb zeitlebens dem alten Glauben treu. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, Bildfindungen etwa von Dürer zu übernehmen. Dafür muss er dem Nürnberger nicht persönlich begegnet sein. Wahrscheinlicher ist, dass er Dürers druckgrafisches Werk kannte, das damals in Süddeutschland zirkulierte. Geografisch beschränkt sich das Wirken des Meisters auf den südlichen Teil des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg. Kenner seines Werkes gehen aufgrund stilistischer Vergleiche davon aus, dass er mit der Ulmer Malerschule in Berührung gekommen sein muss. Seine wichtigsten Auftraggeber waren die Freiherren von Zimmern, die durch Aufsehen erregende Aufträge eine Standeserhöhung durch den Kaiser erwirken wollten. Tatsächlich wurden sie 1539 in den Grafenstand erhoben. Nach ihrem Aussterben 1594 fiel ihr Erbe an das Haus Fürstenberg. In der fürstlichen Gemäldegalerie Donaueschingen wurden Hauptwerke des Meisters wie der Wildensteiner und der Falkensteiner Altar fast 200 Jahre lang öffentlich ausgestellt.

Anfang des 21. Jahrhunderts geriet das Fürstenhaus in Geldnot und verkaufte seine Gemälde. Sie zählen heute zum Bestand der Staatsgalerie Stuttgart sowie der Kunsthalle Schwäbisch Hall des Unternehmers und Kunstsammlers Reinhold Würth. Ein weiterer adeliger Auftraggeber war das Haus Hohenzollern. Bis heute befinden sich Arbeiten des Meisters in der fürstlichen Gemäldegalerie auf dem Hohenzollern-Schloss Sigmaringen. Das übrige Werk ist über halb Europa zerstreut, wodurch auch Altartafeln auseinandergerissen wurden, die für die Dauer der Ausstellung wieder zusammengefügt wurden.

Noch bis zum 2. April 2018 präsentiert die Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart erstmals die Bandbreite von 189 Werken von 57 Leihgebern aus elf Ländern Europas und den USA. Der opulent ausgestattete, wissenschaftlich fundierte Katalog ist im Hirmer Verlag erschienen.

Cover für Der Meister von MeßkirchDer Meister von Meßkirch
Katholische Pracht in der Reformationszeit
Bis 2. April Staatsgalerie Stuttgart
Katalog
Hirmer Verlag € 45,00