Das 1X1 des Kuratierens

No. 01/2015

Hans Ulrich Obrist hat ein gut zu lesendes Buch über das Kuratieren geschrieben. Dabei geht es dem Großmeister der „Mondialité“, des weltweiten Daueraustauschs, nicht um eine systematische Darstellung seines sich seit Jahren rasant ausbreitenden Metiers, weshalb das Rufzeichen im Titel ernstgenommen sein will: Es steht für einen Appell, den der Autor an sich selbst gerichtet hat.

Irgendwie kuratieren wollte Obrist – daran duldet die autobiografische Exposition des Buches keinen Zweifel – offenbar schon als Teenager, und so erzählt er die Geschichte, wie er zu seinem Beruf gekommen ist und wie er ihn ausübt. Der allgegenwärtigen Beliebtheit des Kuratierens in der Maschinerie der Künste antwortet zunehmend eine nach allen Seiten offene Vorstellung davon, was denn das Wort eigentlich bezeichnen könnte. Für Obrist ist klar, dass Künstler und Werke nicht dazu da sind, sich der „Bedeutungsproduktion“ des Kurators unterzuordnen.

Marathongespräche

Ins Positive gewendet erfährt der Leser aus dem Arbeitsbericht, dass Kuratieren irgendetwas Prozessuales sein muss, ein flottierendes, kulissenschiebendes, trendbegieriges Dasein in Gesprächen, vor allem Gesprächen,„Marathon-Gesprächen“ sogar, wenn es sonst nichts zu kuratieren gibt, Interaktionen, Netzwerken, Experimenten, Mobilität und medialer Behändigkeit. Freunde des Anekdotischen kommen dabei auf ihre Kosten, erhält doch das Geschilderte durch die Kolportage von Gesprächspassagen, für die der Autor auf ein Archiv von über 2000 Mitschnitten zurückgreifen kann, eine schillernde Authentizität. Neben den mit schöner Anschaulichkeit, zuweilen auch provokant vorgetragenen Exkursen ins Historische gewinnt das mit seinem geistvollen Umschlag sympathisch gestaltete Buch dadurch Aktualität, als es die Trends aufzeigt, in denen sich seit geraumer Zeit die Ablösung klassischer und wissenschaftlich geprägter Ausstellungskonzepte vollzieht. mk

Kuratieren!
Von Hans-Ulrich Obrist 
C.H. Beck € 19,95