Fresko-Kunsträtsel

No. 03/2016

WER BIN ICH?

Wenn man etwas Besonderes auf den Tisch bringen wollte, war es zu meiner Zeit durchaus üblich, zum Schwanenessen einzuladen. Das ganze Tier – ich bitte, die Vegetarier kurz wegzuhören –, dem der Balg mit dem Gefieder über den gebratenen Laib gezogen wurde, thronte auf dem silbernen Tablett. Häufig wurde ihm ein wenig angezündeter Kampfer in den Schnabel gesteckt, was für Wohlgerüche beim Servieren sorgen sollte. Durch die Heirat mit einer vermögenden Frau war es mir möglich, meine Freunde mit solchen und vielen weiteren kostspieligen Leckereien, deren Beschreibung ich Ihnen ersparen möchte, zu verwöhnen. Der aus dem Schnabel rauchende Schwan fand in meinem berühmtesten Triptychon seinen malerischen Niederschlag. Die Kunsthistoriker, um beim Bild zu bleiben, beißen sich noch heute die Zähne daran aus, was dieser Vogel darin bedeuten soll. Sind die züngelnden Flammen aus dem Schnabel ein Hinweis auf vergiftete Speisen, oder ist der Entenvogel gar eine Schlange im Federkleid und verweist auf den Sündenfall? Alles Kokolores oder „onzin“, wie man heute in meiner Heimat sagen würde, es war ein qualmendes Kampfersträußchen. Bei meinen Zeitgenossen waren meine Bilder mit ihren teils bizarren Darstellungen eine solche Sensation, dass sie tausendfach kopiert wurden. Meinen Namen, respektive mein Pseudonym, unter dem ich auch heute bekannt bin, setzten sie dabei bedenkenlos unter die Fälschungen. Von Urheberrecht und dem langen Arm der VG Bild-Kunst war damals noch nicht die Rede. Nach meinem Tod geriet ich beinahe in Vergessenheit. Hätte nicht ein sammelwütiger, spanischer König mit dem Hang zum – sagen wir – Höllischen zahlreiche meiner Werke erworben, und hätte man sie nicht Jahre später in seinen Schlössern und Klöstern wiederentdeckt, wäre die Kunstwelt um viele, vor allem um eines der geheimnisvollsten und erfindungsreichsten Gemälde ärmer. Aber nicht nur meine Arbeiten geben der Nachwelt bis heute Rätsel auf, auch über meine Lebensumstände und -daten ist wenig bekannt. Vieles wurde gemutmaßt: Man bezeichnete mich als Genie, Ketzer oder Alchemist, der seine Werke im Drogenrausch gemalt und sie mit verschlüsselten, verstörenden Botschaften versehen haben soll. Alles „onzin“? Wer weiß, vielleicht war es doch nicht nur das Kampfersträußchen.

Wer bin ich?

– Wer bin ich? –

Das Kunsträtsel mit Gewinnchancen

Unter den ersten 100 richtigen Einsendungen verlost der Hirmer Verlag

fünf Bücherpakete im Wert von € 100,–.

Einsendungen an: fresko1@hirmerverlag.de

 Auflösung des Kunsträtsels aus Fresko 02/2016: Paul Klee (1879–1940)