Fresko-Kunsträtsel

WER BIN ICH?

Zu meiner Zeit gab es den Ausdruck noch nicht, heute würde man mich wahrscheinlich als „Aussteiger“ bezeichnen. Als jemanden, der seinen bürgerlichen Beruf zugunsten der Kunst an den Nagel hängt. Ich habe nicht nur einen hochangesehenen Beruf erlernt, sondern auch studiert – alles ganz nach den Wünschen meines Vaters. Der übrigens auch meinen beiden Brüdern vorschrieb, was sie werden sollten. Wir haben uns alle drei daran gehalten – bis zu seinem Tod, und sogar ein wenig darüber hinaus. Die Begegnung mit einem Maler, den ich bei einer Kunsttherapie während eines Kuraufenthalts kennenlernte, gab den Anstoß, mich hauptberuflich der bildenden Kunst zuzuwenden. Das Erbe meines Vaters ermöglichte mir eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, die mir sogar ausgedehnte Reisen erlaubte. Diese unternahm ich meist zusammen mit einem Malerfreund, der mir als Autodidakt so manchen Tipp geben konnte. Ich wiederum konnte ihn mit meinen Kenntnissen über das Herstellen von Farbe beeindrucken, so ergänzten wir uns gut. Bald stellte sich mein beruflicher Erfolg ein, auch wenn eines meiner ersten Bilder, die ich in meiner Geburtsstadt München ausstellte, beim Publikum durchfiel. Man warf mir vor, ich würde einen ganzen Berufsstand verhöhnen, durchs Schlüsselloch blicken – lächerlich! Die Leute verstanden eben die feine Ironie meiner Bilder nicht, was sie übrigens zum Teil bis heute nicht tun. Von diesem ersten Motiv malte ich gleich drei Fassungen. Eine davon wurde vor nicht allzu langer Zeit bei einem spektakulären Kunstraub gestohlen und tauchte nie wieder auf. Trotz anfänglicher Ablehnung konnte ich schon bald von meiner Malkunst recht gut leben, und im reifen Alter wurde ich sogar für meine „Verdienste um die Kunst“ vom König persönlich ausgezeichnet – was mich nicht davon abhielt, ein kleines spöttisches Gedicht darüber zu verfassen. Verheiratet war ich nie, meine große Liebe habe ich auf tragische Weise verloren. Clara war bereits vergeben, als wir uns ineinander verliebten. Als sie sich scheiden lassen wollte, wurde sie unheilbar krank und starb. Das hat mir fast das Herz gebrochen. Ich flehte den Herrgott an, mich auch gleich sterben zu lassen, aber er hat meinen Wunsch erst Jahre später erhört. Mitten unterm Arbeiten, in einem angemessenen Alter holte mich Gevatter Tod ab, schlagartig sozusagen. Seitdem bin ich im Gegensatz zu manchem Kollegen nie in Vergessenheit geraten, meine Bilder blieben immer en vogue – mal mehr, mal weniger.

Wer bin ich? 

– Wer bin ich? –

Das Kunsträtsel mit Gewinnchancen

Unter den ersten 100 richtigen Einsendungen verlost der Hirmer Verlag

fünf Büchergutscheine im Wert von € 100,–.

Einsendungen an: fresko1@hirmerverlag.de

Auflösung des Kunsträtsels aus Fresko 04 /2011: Franz Seraph von Lenbach (1836 –1904)