Hoher Besuch

Das Künstlergespräch mit Chang Tianhu

No. 03/2012

Chang Tianhu vor der Konfuzius-Statue im Münchner Dichtergarten © Rainer Arnold

Chang Tianhu vor der Konfuzius-Statue im Münchner Dichtergarten © Rainer Arnold

Chang Tianhu ist in China ein berühmter, sehr erfolgreicher Künstler und zugleich Mitbegründer des international renommiertesten asiatischen Auktionshauses, dem „Beijing Poly International Auction Company“. Fresko hatte die einmalige Gelegenheit, den in Peking lebenden und arbeitenden Maler in einem der DomagkAteliers in München zu treffen. Bei grünem Tee und Kaffee gewährt uns Chang Tianhu spannende Einblicke in Chinas boomenden Kunstmarkt.

Chang Tianhu, Sie sind Künstler und Kunsthändler in Peking. Wie kamen Sie zu Ihren Tätigkeiten, brauchten Sie eine spezielle Ausbildung dafür?

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich arbeite heute ausschließlich als Künstler, wie in der Zeit von Mitte der 90er Jahre bis 2005. Zwischen 2005 und 2010 war ich für das Auktionshaus „Beijing Poly International Auction Company“ tätig. Ich kam eher aus Zufall dorthin, das Unternehmen war gerade erst gegründet worden. Heute ist es ein riesiges Unternehmen, quasi die Nummer 1 in Ostasien unter den Auktionshäusern, und es ist mittlerweile sehr schwer, dort einen Arbeitsplatz zu bekommen. [Anm. der Redaktion: Chang Tianhus Understatement aus Höflichkeit verbietet es ihm, explizit darauf hinzuweisen, dass er der Mitbegründer dieses Unternehmens war.]

In China findet in den letzten Jahren das größte Weltwirtschaftswachstum statt, kann man diese Entwicklung auch auf den Kunstmarkt übertragen?

Ja, auf jeden Fall, der Kunstmarkt explodiert seit den 90er Jahren. Die Entwicklung kann man in drei Phasen einteilen: In der Zeit vor 1991 war Kunst eher eine Insider-Angelegenheit, nur eine kleine intellektuelle Schicht hat Kunst gesammelt: Dichter, Schriftsteller, Künstler. In den Jahren von 1991 bis 2007 begann die „Sammlerphase“. In dieser Zeit wurden viele Auktionshäuser gegründet, und den Künstlern eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten, ihre Werke dort an private Sammler zu verkaufen. Früher mussten sie darauf hoffen, in den wenigen Ausstellungen ihre Werke an den Mann zu bringen. Diese neue Art der Präsentation verlieh der Kunst eine enorme Anziehungskraft. Plötzlich wurde es attraktiv, Künstler zu sein, es wurde ein richtiger Beruf! Es entstand ein ganzer Wirtschaftszweig mit Kunstbedarfsgeschäften, Malkursen, Kunstschulen usw. Nach der Jahrtausendwende beschloss die Regierung, die Anzahl der Studenten an den Hochschulen drastisch zu erhöhen. Als ich Anfang der 90er Jahre studierte, waren wir 8 Studenten in einer Klasse, heute sind es 80.

Und die dritte Phase?

Die kann man als „Kapitalphase“ bezeichnen. Sie setzte 2007 ein und dauert bis heute an. Die Käufer von Kunst sind vor allem Kapitalunternehmen, Stiftungen, Firmen. Sie kaufen nicht, wie in Europa üblich, nur die „Großen Meister“, sondern durchaus auch Werke von Newcomern. Trotzdem haben es unbekannte Künstler nach wie vor schwer, sich zu behaupten. Die „Stars“ dagegen leben in Saus und Braus. Ich wünsche mir, dass der Kunstmarkt wieder in die Sammlerphase zurückkehrt.

Welchen Anteil hat die zeitgenössische Kunst im Kunsthandel?

Zeitgenössische Malerei lässt sich gut verkaufen, wenn sie im traditionellen chinesischen Stil gemalt ist. Abstrakte Werke haben es dagegen eher schwer. Gemälde aus der Zeit zwischen 1850 und 1950 sind sehr gefragt, ebenfalls Kalligrafien.

Welches war das hochpreisigste Kunstwerk, das in Ihrer Zeit bei „Poly Auction“ verkauft wurde?

Das war eine über 900 Jahre alte Kalligrafie aus der nördlichen Song-Dynastie von Huang Tingjian. Sie wurde für umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro verkauft.

Ist es nicht schwierig, nach der Kulturrevolution den Markt mit alten bzw. traditionellen Stücken zu versorgen?

Ein wenig schon, aber einige Stücke sind aus Japan, Hongkong, Taiwan, USA und auch Europa zurückgekauft worden, und ein paar Schätze haben auch in Privathaushalten die Kulturrevolution überdauert.

Kann man alte Kunst aus China ausführen, oder ist das generell verboten?

Wenn die Kunstwerke den Status eines Kulturgutes haben, dürfen sie natürlich nicht ausgeführt werden. In unseren Auktionskatalogen waren diese Stücke immer als solche gekennzeichnet. Ansonsten ist die Ausfuhr auch von alter Kunst kein Problem. Allerdings muss man wissen, dass der chinesische Kunstmarkt seine Besonderheiten hat. Wenn man Kunst kaufen möchte, sollte man einen Experten zu Rate ziehen, der sich mit dem chinesischen Markt auskennt; das europäische Wissen reicht hier nicht aus.

Sie waren in Deutschland zehn Tage zu Besuch und haben Künstlerfreunde getroffen. Was nehmen Sie aus Europa mit nach Hause? Was hat Ihnen besonders gut gefallen?

Ich nehme vor allem Bücher mit nach Hause. Bücher über die Gotik und über Albrecht Dürer, den ich sehr verehre. Mir hat es hier sehr gut gefallen, insbesondere die schöne Landschaft. Positiv fand ich auch, dass die öffentlichen Einrichtungen sehr gut auf den Menschen abgestimmt sind, und Dinge wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Ordnung. Dass Ordnung ein wichtiger Bestandteil für die Gesellschaft ist, hat schon Konfuzius gesagt.

Herzlichen Dank für das Interview, wir wünschen Ihnen alles Gute.

Einige der Kunstwerke von Chang Tianhu sind auf seiner chinesischen Website zu sehen: http://changtianhu.artron.net