Gipfeltreffen

Die Alpen in der Fotografie

No. 03/2013

Pünktlich zum Wochenende entern Ausflügler die Bergwelt und sorgen auf den Zubringern um Garmisch, Salzburg und Lindau für allerhand Staumeldungen. Nicht ohne Grund: Wer einmal Bergluft geschnuppert hat, wird zum Wiederholungstäter. Eine ideale Ergänzung zum Bergsport verspricht die kommende Ausstellung in Waiblingen. Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie vereint die Zeugnisse von Fotografen, die sich mit der Natur- und Kulturlandschaft Alpen befasst haben. Ein Exkurs zwischen Wirklichkeit und Manipulation, Klischee und Ironie.

Als der englische Maler William Turner zusammen mit seinen Landsleuten im 18. Jahrhundert die Alpen entdeckte, ging es ihm darum, „die Natur in ihren großartigsten Erscheinungen zu studieren“. Was heute klischeehaft, nahezu banal klingt, war noch im 17. Jahrhundert kaum vorstellbar. Damals wie auch Jahrhunderte zuvor zollten die Menschen den Bergen höchsten Respekt und nahmen sie als furchteinflößend wahr. Erst vor 150 Jahren kam es zur Wende. Mitte des 19. Jahrhunderts eroberte der Tourismus das Gebirge für sich und entwickelte es sukzessive zum Freizeitziel Nummer Eins. Mit Konsequenzen: Die bis dato unberührte Bergwelt wurde urbar gemacht, alpine Vereine organisierten sich und bauten erste Hütten, Straßen wurden befestigt und Sesselbahnen und Skilifte installiert. Von der allgemeinen Bergbegeisterung profitierten Fotografen und Ansichtskartenverlage, die die Bergfreunde mit unvergesslichen Panoramen versorgten.

„Vor allem Berg“ fasst das Museum Voralberg die Ausstellungskooperation mit der Galerie Stihl in Waiblingen zusammen. Ab dem 12. Oktober sind hier Höhepunkte der Bergfotografie zu sehen, Aufnahmen von Fotografenpionieren wie den Brüdern Bisson, Eugen Albrecht oder Jules Beck, die mit ihrer Kamera in Felsmassive und Gletscher vordrangen und Erstbesteigungen dokumentierten. Sie prägten ein wild-romantisches Bild vom Berg abseits des Tourismus – ein Ideal, das sich über Jahrzehnte hinweg hielt und im Dritten Reich forciert wurde. Arbeiten zeitgenössischer Fotografen wie Andreas Gursky, Balthasar Beck, Walter Niedermayr und Thomas Wrede weiten den Fokus. Sie folgen der Tradition und spiegeln Ausschnitte einer vollkommenen Natur, kritisieren Eingriff e in die Landschaft oder versetzen – ironisch- bissig – gleich ganze Bergmassive: Wer wünschte sich nicht das Alpenglühen im Kitsch-Ambiente seines Wohnzimmers, mit geblümten Kissen, Stehlampe und Nierentisch? af

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Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie
Vom 12. Oktober bis 6. Januar 2014 
Galerie Stihl, Waiblingen 
www.galerie-stihl-waiblingen.de 
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 29,90