Gérard Dagly

Und die Berliner Hofwerkstatt

No. 02/2015

Um 1700 war man in Europa min­destens ebenso stark an Ostasien interessiert wie heute. Heiß be­gehrt waren chinesisches Porzel­lan, exotische Lackmöbel wie Ka­binettschränke und Wandschir­me, aber auch dekorative kleine Objekte wie Scha­tullen, die man nach Europa im­portierte oder erfolgreich nach­ahmte.

Münz- und Medaillenschrank, Berlin Hofwerkstatt, 1690–1695

Münz- und Medaillenschrank,
Berlin Hofwerkstatt,
1690–1695

Als berühmtester Lackkünstler seiner Zeit galt der aus Spa in Belgien stammende Gérard Dagly, der von 1687 bis 1713 am Berliner Hof der Hohenzollern wirkte. Seine Lackmöbel erreichten die Qualität und Raffinesse der fernöstlichen Vorbilder. Sie sind erstmals Gegenstand einer Ausstellung, die bis zum 26. Juli im Museum für Lackkunst in Münster gezeigt wird und unter anderem Leihgaben aus dem Berliner Schloss Charlottenburg präsentiert. Dazu erschien ein exquisiter Katalog aus dem Hirmer Verlag, der das Herz eines jeden Kunstfreundes höher schlagen lässt. Durch die Fülle exzellenter Detailaufnahmen bereitet es auch unabhängig vom Besuch der Ausstellung höchsten ästhetischen Genuss, in dem Bildband zu blättern. Daglys Kunstwerke sind aber nicht nur eine Augenweide, sie stellen auch kulturelle Brücken zwischen Europa und Ostasien dar. So wurden ein schwarz und ein weiß lackiertes Cembalo von deutschen Instrumentenbauern gebaut und von Dagly mit Chinoiserien verziert. Auf dem weißen Cembalo sieht man chinesische Männer, Frauen und Kinder im Freien verschiedenen Tätigkeiten nachgehen: Sie musizieren und tanzen, füttern Pfauen, präsentieren einander Geschenke oder servieren Tee – eine ideale Welt, nach der man sich in Europa sehnte. wr