„Ich erlaube mir alles“
No. 02/2017
Mit Skulpturen wie Dreiklang oder Kopf in Messing avancierte der Berliner Bildhauer Rudolf Belling (1886–1972) in den 1920er Jahren zum Pionier der plastischen Abstraktion und zählt heute zu den Klassikern der Moderne. Zum ersten Mal seit 40 Jahren wird sein vielseitiges Werk in einer großen Retrospektive gewürdigt.
An den Galeristen Alfred Flechtheim schrieb Belling im Jahr 1920: „Ob gegenständlich oder gegenstandslos, ich erlaube mir alles, was mir zur letzten Steigerung irgend eines Ausdrucks verhilft. Ich erkenne kein Dogma, keine feste Form, daher keinen erstarrten Akademismus an.“ Rudolf Belling war ein Grenzüberschreiter, was sich nicht nur in seinem vielfältigen Formenvokabular widerspiegelt – es reicht vom Expressionismus über Neue Sachlichkeit bis zur Abstraktion –, sondern auch in seinen gattungsübergreifenden Tätigkeiten als Bühnen- und Kostümbildner, Bau- und Werbeplastiker, Porträtist, Designer und Architekt. Handwerk und Kunst zu verbinden, ebenso wie die Kunst mit dem Leben, diesen Anspruch der Avantgarde löste Belling in seinem Werk ein. An seinem Credo hat sich auch die aktuelle Berliner Ausstellung orientiert, die auf seine Vielfachbegabungen eingeht und sich bei der Präsentation an eine Anweisung Bellings hält, die er 1962 in einem Schreiben an die Akademie der Künste formulierte: „Ich bitte dringend, meine Arbeiten so aufzustellen, dass man sie umschreiten kann!!“
Das gesamte faszinierende „System Belling“ wird in dem ersten umfassenden und fabelhaft konzipierten Katalog (Hirmer Verlag, € 45,–) beleuchtet und veranschaulicht über die Ausstellung hinaus die visionäre Kraft des „Alleskünstlers“. cv
Rudolf Belling Skulpturen und Architekturen Bis 17. September Neue Galerie im Hamburger Bahnhof, Berlin Katalog zur Ausstellung: Rudolf Belling Skulpturen und Architekturen Hg. Dieter Scholz, Christina Thomson Beiträge von H. van den Berg, G. Debien, B. Dogramaci, A. Hartog, O. Kase, W. Knapp, A. Schalhorn, D. Scholz, C. Thomson, A. Zeising Hirmer Verlag € 45,-