Göttliches Licht

Kunstvolle Mosaike in Rom

No. 02/2024

Die Entstehung des Bewusstseins über Farbe entspringt immer einem kulturellen Kontext. Was in modernen Zeiten naturwissenschaftlich als Spektralfarben, Sehrezeptoren und Zäpfchen erforscht wurde, galt im Frühchristentum und Mittelalter als die Wirkung göttlichen Lichts. Den Unterschied macht die Spiritualität: Leuchtkraft war Schönheit. In der Lichtmetaphysik jener Epochen dachte man Sein als Licht und „Gott als die Quelle allen Lichts“, so der italienische Philosoph und Kunsttheoretiker Rosario Assunto.

Mosaik mit hl. Theodor (Detail), Apsis in Santi Cosma e Damiano, Rom

Anhand von neun Kirchen des 4. bis 14. Jahrhunderts präsentiert die Autorin und Kunsthistorikerin Wendy A. Stein in dem prachtvollen Band Divine Light – The Art of Mosaic in Rome, 300–1300 AD in vielen farbigen Abbildungen wenig bekannten Mosaikschmuck. Selbst für jene, die sich in Rom vergleichsweise gut auskennen, dürfte sie damit ein „Tor zu einer anderen Welt“ öffnen.

Rom, das Zentrum der Christenheit, war eine mythische Stadt, die trotz aller Angriffe und Belagerungen durch Goten, Sarazenen und Normannen sowie der Errichtung eines „Neuen Roms“ in Gestalt des byzantinischen Konstantinopels am Bosporus fortbestand. Gleichwohl, so legt die Autorin dar, geschah dies um den Preis, dass die Päpste als Nachfolger des Apostels Petrus, dem Fels der Kirche und ersten Bischof von Rom, sukzessive die Macht auch in den administrativ-weltlichen Bereichen übernahmen. Reliquien und Heiligengräber dienten zur Legitimation und besserten die finanzielle Lage. Doch die Autorin betont zu Recht, anders als viele moderne Rezipienten es verstehen wollen, dass neben den Reliquien auch die Kunstwerke jener Zeit „Macht haben“ – im wahrsten Sinn des Wortes. Denn das glitzernde und wechselnde Licht der tesserae genannten, reflektierenden Mosaiksteine steht für das Beseelte und Dahinterliegende: Christus und die Heiligen der Mosaike sind nicht nur abgebildet, sondern präsent. Auch die „alltäglich“ anmutenden, wunderschön antik wirkenden Mosaike der Weinkelter etwa haben mythischen Gehalt und metaphysische Macht, was verstehen lässt, warum immer wieder Bischöfe, Päpste und Aristokraten Mosaiken in den Kirchen der Ewigen Stadt in Auftrag gaben. Leicht, mit einem sehr übersichtlichen Plan aller ausführlich besprochenen Kirchen ist dieses Buch der ideale Reisebegleiter für die Entdeckung der Kunst der kleinen, leuchtenden Steine in Rom. kbp

Divine Light
The Art of Mosaic in Rome 300–1300 AD
Von Wendy A. Stein
Text: Englisch
160 Seiten, 120 Abb. in Farbe

Hirmer Verlag € 45,–