Fresko-Kunsträtsel
Wer bin ich?
Als in den 1950er Jahren ein Gemälde von mir mittels Röntgenanalyse untersucht wurde, kam ein bislang unbekanntes Porträt zum Vorschein, das ich einst aus politischen Gründen übermalt hatte. Denn wer will schon mit ehemaligen Besatzern in Verbindung gebracht werden, vor allem nicht von einer neuen Regierung, die die Inquisition wieder eingeführt hatte?
Ich gelte als einer der bedeutendsten Maler meiner Epoche und werde bis heute in meinem Land als Nationalheld verehrt. Manche meiner Zeitgenossen warfen mir vor, dass ich allzu geschmeidig auf die jeweiligen politischen Veränderungen reagiert habe, aber man muss bedenken, dass ich in ein kompliziertes Jahrhundert hineingeboren wurde. Ich habe während meines über 80 Jahre langen Lebens immer versucht, meinen moralischen Kompass korrekt auszurichten. Vielleicht könnte man mir vorwerfen, dass ich als liberal Denkender zu sehr an das Gute im Menschen geglaubt habe.
Als sich der kleine Mann, der zum Tyrannen Europas werden sollte, im Nachbarland zum Kaiser krönte und kurz darauf mein Land besetzte, begrüßte ich wie viele meiner intellektuellen Freunde die neue Verfassung, die die Freiheit des Individuums und die Pressefreiheit garantierte, und arbeitete zunächst mit den Besatzern zusammen. Im Gegenzug wurde mir mein Titel als Erster Hofmaler, den ich von der vorherigen Regierung verliehen bekommen hatte, bestätigt. Dies hielt mich jedoch nicht davon ab, sehr bald mit den Aufständischen zu sympathisieren, eines meiner heute als ikonisch geltenden Bilder zeugt eindrucksvoll davon.
Nachdem der selbsternannte Kaiser von der politischen Bildfläche verschwunden war, kehrte ein reaktionärer Herrscher in mein Land zurück – meine Stellung als Erster Hofmaler blieb davon unangetastet. Allerdings lief ich durch Bilder, die die Einflüsterer des neuen Machthabers als zu freizügig ansahen, stets Gefahr, verhaftet zu werden. Als mir die Situation zu brenzlig wurde, zog ich mich entmutigt in mein Landhaus zurück, das ich mit düsteren Hexen- und Dämonenfresken bemalte. Schließlich erbat ich bei Hofe, einen Kuraufenthalt im Ausland antreten zu dürfen und verbrachte dort meine letzten Lebensjahre in Sicherheit – finanziert von demjenigen, vor dessen Häschern ich geflohen war – wer bin ich?
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