Gegen alle Widerstände

Jüdische Designerinnen der Moderne

No. 02/2025

Die Ausstellung Widerstände widmet sich dem Leben und Werk von mehr als 60 deutsch-jüdischen Kunsthandwerkerinnen des 20. Jahrhunderts, die nicht nur als Frauen und Designerinnen Hürden zu überwinden hatten, sondern zudem antisemitisch diskriminiert wurden. Trotz allem entwickelten sie enorme Schaffenskraft, unternehmerisches Geschick und soziale Unabhängigkeit. Zum ersten Mal würdigt eine umfangreiche Schau diese Gestalterinnen und ihren wesentlichen Beitrag im Bereich der angewandten Künste und beleuchtet damit einen bislang wenig beachteten Aspekt der deutschen Kunst- und Kulturgeschichte.

Yva, Eleganter Hut aus schwarzem Samt mit weißem Vogel von Paula Schwarz, Berlin 1925–1938, © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Es glich einer detektivischen Herkulesaufgabe: 20 Jahre lang recherchierte Michal Friedlander, Kuratorin des Jüdischen Museums Berlin, um die Werke und Biografien der deutsch-jüdischen Designerinnen ans Licht zu bringen. Viele von ihnen wurden während des NS-Regimes ermordet, andere, denen die Flucht ins Ausland gelang, konnten an ihre beruflichen Erfolge häufig nicht anknüpfen. Es verwundert nicht, dass die meisten ihrer Werke verschollen sind und sich die Spuren ihrer Schöpferinnen verloren haben. Erstmals sind nun rund 400 Exponate zu bestaunen, die das breite Gestaltungsspektrum von Textilkunst und Keramik bis zu Modedesign, Grafik, Gold- und Silberschmiede widerspiegeln.

Die Mehrheit der jüdischen Designerinnen im Deutschland des beginnenden 20. Jahrhunderts kamen aus der bürgerlichen Mittelschicht. Viele von ihnen nahmen führende Rollen als Verfechterinnen von Frauenrechten und besserer Sozialfürsorge ein und engagierten sich im deutschen Kulturleben. Ihre Biografien zeigen auf, welchen Beitrag sie als Frauen, Jüdinnen und Künstlerinnen für den Emanzipations- und Modernisierungsprozess der deutschen Gesellschaft im frühen 20. Jahrhundert leisteten. Wie beispielsweise Paula Strauss, die zu den ersten Industriedesignerinnen in Deutschland gehörte; die Architektin, Kuratorin und Dozentin Else Oppler-Legband als Leiterin der Höheren Fachschule in Dekorationskunst in Berlin; Lotte Pritzel, die als Kostümbildnerin und Bühnenausstatterin für die Münchner Kammerspiele und das Deutsche Theater in Berlin arbeitete; oder die Modedesignerin Paula Schwarz, deren extravagante Hutmodelle die Köpfe bekannter Schauspielerinnen zierten. Die Ausstellung und der ästhetisch ansprechende Begleitband sind eine wertvolle Chance, die verlorenen Generationen jüdischer Designerinnen neu zu entdecken und ihnen den Platz im kulturellen Gedächtnis zu geben, den sie verdienen. cv

Widerstände
Jüdische Designerinnen der Moderne
Bis 23. November 2025
Jüdisches Museum Berlin

Katalog zur Ausstellung
Hg. Michal Friedlander Jüdisches Museum Berlin 
Hirmer Verlag € 45,–