Fresko-Kunsträtsel

No. 04/2011

Wer bin ich?

Auf der Höhe meines Erfolges erschütterte ein Fälschungsskandal die Münchner Kunstwelt. Ich selbst nahm’s gelassen und amüsierte mich eher über die Vielzahl der im Gerichtssaal ausgehängten Fälschungen meiner Bilder. An diesem Skandal war ich vollkommen unschuldig, der Übeltäter war ein Handwerker aus meinem Haus, der mir verworfene Skizzen gestohlen hatte und sie anschließend „fertigstellen“ ließ. An anderen Fälschungen, die zum Teil bis heute im Umlauf sind, war ich allerdings selbst beteiligt. Ich wollte meinen Künstlerfreund H., der eine erfolglose Phase durchlebte, unterstützen und setzte meine Signatur unter einige seiner Bilder – was den Verkaufswert in die Höhe schnellen ließ. Ich bin nicht als einfacher Bauernbub aufgewachsen, wie ich es gerne die Münchner Schickeria Glauben machen wollte, sondern stamme aus bürgerlichen Verhältnissen. Mein Vater betrieb in der Nähe von Ingolstadt ein kleines Bauunternehmen, in das ich einsteigen sollte, eine Maurerlehre hatte ich bereits absolviert. Diese Pläne verliefen nach dem frühen Tod meines Vaters im Sande, was mir ganz Recht war. Viel lieber schlug ich mit 18 Jahren die akademische Laufbahn an der Akademie der Bildenden Künste in München ein. Um zu Beginn meiner Karriere ein wenig Geld zu verdienen, malte ich Schützenscheiben und Votivbilder. Nur wenige Jahre später war ich zu einem der gefragtesten Künstler Münchens geworden, der sich vor Aufträgen nicht retten konnte. Mit 46 Jahren hatte ich den Gipfel meines Erfolges erreicht: für meine Verdienste an der Kunst geadelt, verkehrte ich mit gekrönten Häuptern, internationalen Industrie- und Finanzgrößen, und selbst der Papst ließ sich von mir porträtieren. Eines meiner prominentesten Modelle hielt ich auf rund 80 Gemälden fest, auf dem Totenbett skizzierte ich den Dahingeschiedenen ein letztes Mal. Der gesellschaftliche Aufstieg war geschafft, nun galt es mit fast 50 Jahren, mich auf Brautschau zu begeben. Zunächst fing ich mir einen Korb von meiner angebeteten italienischen Principessa ein, worauf ich mich rasch umorientierte und eine blutjunge, über 25 Jahre jüngere, norddeutsche Adelige heiratete. Das konnte nicht gutgehen. Die Leute sagten über mich, ich sei lebenslustig, charmant-bayerisch, dem Kartln und Kegeln mit meinen Künstlerfreunden nicht abgeneigt, sie dagegen war eher von kühlem Temperament und kam mit der bayerischen Mentalität nicht zurecht. Noch dazu war sie mit der Führung unseres hochherrschaftlichen Haushaltes restlos überfordert. Ich konnte sie nicht unterstützen, denn ich musste Tag und Nacht arbeiten, um die Schulden abzubezahlen, die sich durch den Hausbau in München angehäuft hatten. Ich malte sozusagen im Akkord. Als Hilfsmittel diente mir die noch junge Technik der Fotografie. Meine Modelle wurden abgelichtet, und anschließend fertigte ich nach der Vorlage ein Porträt an – eine Vorgehensweise, die nicht wenige meiner berühmten Künstlerkollegen anwandten. Finanziell erholte ich mich, die Ehe aber wurde geschieden, nachdem ich die Vaterschaft meiner zweiten Tochter anzweifelte. Mein privates Glück fand ich in einer neuen Ehe mit einer meiner Schülerinnen, die mir eine dritte Tochter schenkte. Als ich starb und mein Leichnam von meinem Haus zum Friedhof überführt wurde, wo ein Ehrengrab auf mich wartete, stand halb München Spalier, um mir die letzte Ehre zu erweisen. kum

Wer bin ich? 

– Wer bin ich? –

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