Fresko-Kunsträtsel

No. 03/2014

WER BIN ICH?

Über meinen Vornamen wollen wir uns gar nicht erst unterhalten, er steht außer Konkurrenz, im negativen Sinne, versteht sich. Aus gutem Grund ist er heute so gut wie ausgestorben. Meine Schwiegereltern hatten im Nachhinein gesehen eine glücklichere Hand, nannten sie ihre Tochter doch Adeline, was mit „von edler Gestalt“ übersetzt werden kann. Weder mein Vorname noch die „edle Gestalt“ meiner Gattin beeinflussten mich jedoch maßgeblich in meinem Kunstschaffen. Nach einem kurzen beruflichen Ausflug in die Kaufmannswelt entschloss ich mich, die Kunstakademie zu besuchen. Dort traf ich auf Gleichgesinnte, Freunde und Kollegen, die mich entscheidend in meiner künstlerischen Entwicklung beeinflussten. Wir haben etwas ganz Grundsätzliches entwickelt, und ich kann mit Fug und Recht behaupten: Ja, ich habe sie alle gekannt. Die Großen, Wichtigen, Wegbereiter.

Meine Werke hängen heute Seite an Seite mit den ihren, und doch – ein kleiner Wermutstropfen, eine Erbse im Schuh bleibt: Es sind immer wieder die gleichen drei, vier großen Namen, die in einem Atemzug genannt werden. Mein Name wird gern etwas hinten angestellt. Verzeihen Sie mir meine Offenheit, aber schon damals sagte ich „ein Künstler soll das Innere nach außen tragen“ – oder war es einer meiner Freunde? Es ist bereits einige Jahre her, da kann man das eine oder andere durcheinander bringen. Ich will mich nicht beklagen, denn immerhin hatte ich weitaus mehr Glück, als zwei meiner Kollegen, die die schrecklichen Jahre des Krieges nicht überlebten. Diesen beiden blieb allerdings im Gegensatz zu mir erspart, im besten Alter mit Ablehnung und Verboten ihrer Kunst konfrontiert zu werden. Die meisten Weggefährten wurden in alle Winde zerstreut, einer blieb, ich hielt seine Grabrede. An meine eigene Traueranzeige wenige Jahre später erinnere ich mich nicht mehr, in jedem Fall hätte man schreiben können „viel zu früh verließ uns –“ ja, wer?

Wer bin ich?