Richard Avedon

Das Werk eines Ausnahmekünstlers

No. 03/2014

Von Armin Zweite

Richard Avedon (1923 –2004) gilt nicht nur als einer der wichtigsten und innovativsten Modefotografen, er war auch gegen Ende seines Lebens ein gefeierter Star, der einen gesellschaftlichen Status erreicht hatte, der ihn anderen großen Künstlerpersönlichkeiten der Vereinigten Staaten von Amerika zugesellte. Das ist insofern bemerkenswert, als das Metier zumeist den angewandten Künsten zugerechnet und damit gegenüber der Malerei deutlich niedriger eingestuft wurde.

Die periodisch erscheinenden Modejournale wie Harper’s Bazaar und Vogue, für die Avedon jeweils viele Jahre arbeitete, dienten der Aktualität und waren obsolet, sobald die Haute Couture ihre nächsten Kollektionen ankündigte bzw. präsentierte. Wie viele andere Fotografen hat Avedon den Zwiespalt als belastend empfunden. Einerseits galt es, für das Tagesgeschehen unter enormem Zeitdruck möglichst Hervorragendes zu leisten, das jeweils Neueste der Modehäuser mit den Models wirkungsvoll zu inszenieren und optimal abzulichten. Andererseits brachte man dabei etwas hervor, was bereits nach wenigen Wochen der Vergangenheit angehörte und damit schnell vergessen war. Ganz ähnlich haben das auch andere Fotografen wie Irving Penn, William Klein, Diane Arbus und Robert Frank eingeschätzt, die für die Branche tätig waren, sich daneben aber mit anderen Themen befassten und sich als Künstler verstanden. Der Broterwerb hinderte sie jedoch nicht, ihren eigenen Neigungen und Obsessionen nachzugehen.

Die Modefotografie lieferte Avedon zeitlebens das Fundament, um schließlich neben allem anderen ein großes Studio mit etlichen Mitarbeitern zu finanzieren und große Projekte ohne die Absicherungen eines Auftraggebers zu verwirklichen. Die Zweiteilung seines Œuvres hat Avedon durchaus registriert.

Als freier Fotograf konnte man in den 1950er- und 1960er Jahren nur existieren, wenn man sein Auskommen auf andere Weise sicherte, beispielsweise indem man lehrte. Ein Markt für Fotografie begann sich erst ganz allmählich zu entwickeln. Um dem Malstrom der Zeit zu entkommen und nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verschwinden, sondern als Künstler zu gelten, der auch in Zukunft wahrgenommen und gewürdigt wird, hat Avedon unterschiedliche Wege eingeschlagen. Neben Ausstellungen konnten auch Buchpublikationen seinen Fotografien eine längere Präsenz und größere Wirksamkeit verleihen. Vor allem bot die Porträtfotografie eine Möglichkeit, dem raschen Vergessen zu entgehen. Avedon erwies sich auch in diesem Bereich als Ausnahmeerscheinung. So entstanden vor allem in den 1950er Jahren immer wieder unvergessliche Bildnisse von Künstlern, Filmregisseuren, Schauspielern, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Politikern und anderen Persönlichkeiten.

Im April 1965 feierte Avedon sein 20-jähriges Jubiläum als Fotograf bei Harper’s Bazaar und steuerte der aktuellen Nummer sämtliche Bilder bei. Was die Seiten füllt, ist eine Mixtur aus den verschiedensten Phänomenen, wobei die Popkultur besonders herausragte. Models in Raumanzügen bevölkern das Heft ebenso wie Bilder von Bob Dylan, Robert Rauschenberg, Paul McCartney, Jasper Johns oder Ringo Starr. Zu diesem Zeitpunkt lag die schöpferischste Phase bei Harper’s Bazaar hinter Avedon, er begann sein Tun zu reflektieren, blickte zunehmend über sein Berufsfeld hinaus und besann sich auf seinen Status als Bürger der Vereinigten Staaten. Es war innenpolitisch die Ära der Bürgerrechtsbewegungen und von Black Power in den USA, der Aktionen gegen den Vietnamkrieg, der Studentenunruhen. Das verstärkte politische Bewusstsein und die erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Maßnahmen der Regierung und Initiativen verschiedener Gruppen wirkte sich auf Avedons Arbeit aus, und zwar sowohl in thematischer als auch stilistischer Hinsicht. Zu beobachten sind konzeptuelle Konzentration und formaler Rigorismus. Seine großen, zwischen 1969 und 1971 entstandenen Wandbilder und u. a. die lange Porträtserie des politischen Establishments lassen sich teilweise mit dem Benjaminschen Begriff der Entlarvung umschreiben.

Vor dem Hintergrund der vielen wunderbaren, überraschenden, lichzubewertensind. faszinierenden Modedarstellungen, die den größten Teil von Avedons Œuvre ausmachen, behaupten sich seine anderen Arbeiten durch ihren Ernst, ihr Engagement und die Empathie, die in ihnen zum Ausdruck kommt. Der politischen Themen gewidmete Teil ist im Gesamtwerk von enormer Bedeutung. Die Zukunft wird zeigen, wie die unterschiedlichen Werkgruppen in ihrer historischen Bedeutung letztlich zu bewerten sind.