Joan Jonas
New York, Venedig, London, München
No. 01/2018
Von Caroline Klapp
Die „Grande Dame“ der amerikanischen Performance- und Videokunst, Joan Jonas, wird in diesem Jahr in Deutschland erstmals in einer umfassenden Museumsausstellung gezeigt. Ab März ist sie in der Tate Modern in London zu sehen, im November kommt sie endlich auch nach München ins Haus der Kunst. Obwohl die heute 82-jährige New Yorker Künstlerin seit langem innerhalb der Kunstszene Kultstatus besitzt, war sie einem breiteren Publikum bis zur Gestaltung des US-Pavillons auf der Biennale in Venedig 2015 weitgehend unbekannt.

Joan Jonas, They Come to Us Without a Word II, Performance at Teatro Piccolo Arsenale, © Joan Jonas/VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Venedig, 2015
Betrat man vor fast drei Jahren den amerikanischen Pavillon – nach langer Wartezeit vor einer schlichten Holztür – wähnte man sich in einem rätselhaften Labyrinth aus Videoprojektionen, meterhohen Zerrspiegeln, dutzenden großformatigen Papierzeichnungen vom Kommunikationstanz der Bienen, Vitrinen mit behutsam arrangierten Schwertfisch-Karkassen, delikaten Naturschwämmen, auf dem Boden angeordneten hohen konischen Papierhüten und bunten Gesichtsmasken aus Pappmaché. Mysteriös war das alles auf den ersten Blick. Doch was zunächst beliebig erscheint, fügt sich bei näherem Hinsehen zu einem persönlichen Narrativ, an dem die Künstlerin seit über 50 Jahren konsequent arbeitet. They come to us without a word – sie kommen ohne Worte zu uns – so der Titel der vielschichtigen Installation, die sich mit der Fragilität der Natur oder vielmehr der Bedrohung fragiler Ökosysteme auseinandersetzt, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben beziehungsweise in eine Agitprop-Attitüde zu verfallen. Unaufdringlich, auf fast poetische Weise prägen sich über mehrfache Videoprojektionen Bilder ein: von weiten überfluteten Landschaften, vom emsigen Treiben im Bienenstock oder von Kindern, die Geistergeschichten rezitieren, tauziehen und im Wald Tanzchoreografien aufführen. Sie tragen dieselben Papierhüte und Gesichtsmasken, die als Objekte ebenfalls Teil der Installation sind, und plötzlich entsteht aus der überfordernden Gleichzeitigkeit unterschiedlicher visueller Eindrücke und Medien ein stimmiger Tenor.
Die Quellen, aus denen Jonas schöpft, sind mannigfach – im Fall der Installation für die Biennale waren es die Naturbeschreibungen des isländischen Nobelpreisträgers Halldór Laxness und ihr persönliches Anliegen. Immer wieder setzt sie sich in ihren Videos selbst ins Bild, taucht auf als Schamanin, die ohne Schwierigkeit durch Zeit und Ort wandelt und doch über Jahre hinweg eine feste Konstante bleibt. Jonas’ Selbstzitate führen zurück zu den Anfängen ihrer Karriere, als sie im Jahr 1970 in Japan ihre erste Videokamera, eine Portapak von Sony, kaufte: Sie begann als eine der Ersten überhaupt, in ihren Performances mit Video zu arbeiten und darüber die Gleichzeitigkeit von Zeit und Raum in Frage zu stellen.
Joan Jonas bis 5. August 2018 Tate Modern, London ab 9. November Haus der Kunst, München Ausstellungskatalog, engl. Hirmer Verlag € 29,90