Die Moderne im Zoo

Schauplatz von Inspiration und Kontroverse

No. 02/2025

Der Einzug der Moderne in die Städte erzeugte um 1900 eine Gegenbewegung: Als Antwort auf den technischen Fortschritt erstarkte die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und ein gesteigertes Interesse am Tier, das im Straßenbild als Nutztier verschwunden war. Die Moderne im Zoo heißt die Ausstellung im Franz Marc Museum in Kochel am See, die bis zum 9. November verschiedenste Perspektiven der künstlerischen Avantgarde auf Tiere und gezähmte Natur einfängt und dabei die Verquickungen von Wissenschaft, Unterhaltungskultur, Tierethik und Kolonialpolitik diskutiert.

Oskar Kokoschka, Tigerlöwe, 1926, Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll, © Fondation Oskar Kokoschka / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Der Ruf „Zurück zur Natur“ hat viele Gesichter: etwa Franz Marcs Affenrudel, das durch das kristallin aufgefächerte Pflanzendickicht streift – womöglich des im Entstehungsjahr 1911 eröffneten Tierparks Hellabrunn, der in der Nachfolge des innovativen Hamburger Zoos von Carl Hagenbeck als Landschaftsgarten mit weitläufigen Gehegen, Wasserfällen und abgestuften Sichtachsen angelegt worden war; leuchtend bunte Papageien, die August Macke in den schattigen Alleen des Kölner Zoos begegneten; Renée Sintenis’ Tierstudien, wie die des Bären, der als Trophäe auf der Berlinale überreicht wird; Ernst Haeckels wissenschaftlich wie künstlerisch erfasste Berliner Unterwasserwelt; oder aber der in energischen Pinselstrichen gesetzte Tigerlöwe aus dem Londoner Zoo, der als „flammende, gelbe Bombe aus dem Dunkel mit allen Vieren ins Licht, ins Freie“, Oskar Kokoschka ins Bild sprang und der Komposition den Rahmen sprengte, um letztlich die Form zu befreien.

August Macke, Mädchen mit blauen Vögeln, 1914, Kunstmuseum Bonn, Courtesy Lempertz, Foto: Fine Art Images – ARTOTHEK

Das Exotische, das Wilde, der Gegenentwurf zur menschlichen Zivilisation übte einen Reiz aus, der Künstlerinnen und Künstler animierte, unmittelbar vor bzw. in Gehegen die Staffeleien aufzubauen, aber auch Bürgertum, Proletariat und Bohème in die zoologischen Gärten lockte: im Kontrast zu den engen Käfigen der fürstlichen Menagerien des 18. Jahrhunderts in ihrer neuen Funktion als Freizeit- und Erlebnisraum, mit Streichelgehegen, Dressurvorstellungen, Militärkonzerten, Tanzbällen und heute indiskutablen Inszenierungen wie „Völkerschauen“, in aller Ambivalenz, wie der Katalog schildert. af

Die Moderne im Zoo
Bis 9. November 2025
Franz Marc Museum in Kochel am See

Katalog zur Ausstellung
Hirmer Verlag € 45,–


 

 

 

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