August Gaul
Der Zoologe unter den Künstlern
No. 03/2021
Mit der Großen stehenden Löwin, die ein revolutionärer Gegenentwurf zum männlichen Löwen als Machtsymbol darstellt, gelang August Gaul (1869–1921) auf der dritten Ausstellung der Berliner Secession 1901 sein künstlerischer Durchbruch.

August Gaul, Große stehende Löwin, 1899–1901 © Städtische Museen Hanau, Foto: Uwe Dettmar
Zu Lebzeiten feierte ihn die Kritik als einen der bedeutendsten deutschen Bildhauer, der Tiere zu einem eigenständigen künstlerischen Motiv erhob und statt symbolträchtiger Jagd- und Kampfszenen das Tier an sich, als eigenständige Existenz zeigte. Gaul gilt damit nicht nur als Wegbereiter der „autonomen Tierplastik“, sondern auch der modernen Abstraktion in der Bildhauerei – und doch verschwand er nach seinem frühen Tod beinahe aus dem Gedächtnis der Kunstgeschichte. Lange Zeit wurde die Relevanz seiner Motivik als „Randerscheinung“ gewertet, heute weiß man, dass Tiere wesentliche Akteure in historischen Prozessen sind und dass Geschichte letztlich auch eine Beziehungsgeschichte von Mensch und Tier ist. Die Ausstellung August Gaul. Moderne Tiere, die im Kunstmuseum Bern zu sehen ist und von einem hochwertig gestalteten Band begleitet wird, spürt mit mehr als 250 Exponaten aus dem Werk Gauls den Veränderungen des Blicks auf das Tier um 1900 nach, der sich infolge von Industrialisierung, Verstädterung und Globalisierung vollzog. cv
August Gaul. Moderne Tiere Bis 24. Oktober Kunstmuseum Bern Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag 29,90