Fresko-Kunsträtsel
No. 02/2013
WER BIN ICH?
Für die Obst- und Weinbauern war es ein gesegnetes Jahr mit reicher Ernte. Für mich dagegen endete es bereits im Juni und durchaus enttäuschend: Ich starb ganz unvermutet mit nur 49 Jahren und wurde in einem so genannten „allgemeinen Grab“ auf dem Südlichen Friedhof in München beigesetzt. Nur ein Jahr zuvor hatte einer der besten Freskenmaler seiner Zeit das einzige bekannte Porträt von mir gemalt. Das Gemälde hängt seit 2010 im Bayerischen Nationalmuseum und zeigt einen selbstbewusst dreinblickenden, durchaus ansehnlichen Mann im besten Alter, wenn ich das in aller Bescheidenheit anmerken darf. Mein Vater, der ebenso wie mein Großvater als Kunsthandwerker sein Brot verdiente und zeitweise als Bürgermeister meinem Geburtsort in der Oberpfalz vorstand, war mein erster Lehrherr. Als Schreiner, Bildhauer und Fassmaler brachte er mir die wichtigsten Grundlagen für meine spätere Karriere bei. Meine Lehr- und Wanderjahre führten mich über die renommierte Werkstätte eines Münchner Hofbildhauers nach Salzburg, Mannheim, Mähren und Wien, bis ich mich schließlich elf Jahre, nachdem ich das heimatliche Altmühltal verlassen hatte, als selbstständiger Bildhauer in München niederließ. Vom Kurfürsten erhielt ich die Erlaubnis, meine eigene Werkstatt gründen zu dürfen. Wenige Jahre später heiratete ich Maria, die mir neun Kinder schenkte. Sie konnte stolz auf mich sein, denn ich wurde im Laufe der Zeit ein gefragter Bildhauer, der für den Kurfürsten, den Adel und vor allem für die Kirche arbeitete. Unermüdlicher Fleiß und mein Eintreten für die Auftragsvergabe an ortsansässige Künstler brachten mir bei übelwollenden Kollegen den Ruf ein, „brotneidig“ zu sein. Dabei ging es mir nicht darum, unliebsame Konkurrenz aus dem Ausland zu verdrängen, sondern mich und meine Familie vor dem immer wieder drohenden finanziellen Ruin zu bewahren. Die Zeiten waren hart, und die Bezahlung meiner Kunst konnte ich nicht gerade fürstlich nennen. So war ich kurz nach dem Kauf unseres Münchner Hauses gezwungen, eine Hypothek von tausend Gulden aufzunehmen. In den zwei Jahrzehnten meines künstlerischen Schaffens entstand ein bildhauerisches Werk, das mich noch heute als europäischen Künstler ersten Ranges auszeichnet. Vor nicht allzu langer Zeit wurde sogar eine meiner Arbeiten dem Papst als Geschenk überreicht – Maria wäre wieder einmal stolz auf mich gewesen.
Wer bin ich?
– Wer bin ich? –
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Auflösung des Kunsträtsels aus Fresko 01/2013: Käthe Kollwitz (1867–1945)