Teufel und Beelzebub

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No. 01/2018

In Unter der Drachenwand kehrt der 25-jährige Veit Kolbe schwer verwundet von der Ostfront nach Österreich zurück und verbringt das Jahr 1944 als Rekonvaleszent am Mondsee. Anfänglich scheint Veit den Wechsel in ein normales Leben zu schaffen, doch ein Strudel fataler Ereignisse reißt ihn mit sich und stellt sein Leben völlig auf den Kopf.

Der 1968 in Österreich geborene und mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnete Autor Arno Geiger wirft den Ich-Erzähler in ein Wechselbad der Gefühle, denn an diesem scheinbar beschaulichen Flecken im Salzkammergut lernt Veit Flüchtlinge, Widerständler, Täter und Opfer kennen, die ihn in Höhen und Tiefen stürzen: eine Lehrerin mit ihren an den Mondsee verschickten Schülerinnen, den aufmüpfigen sogenannten „Brasilianer“, seinen opportunistischen Onkel und die bösartige Quartiersfrau – und Margot, eine junge Darmstädterin mit Kind, in die er sich schließlich verliebt. Begleitet werden die Geschehnisse durch Briefe von Margots Mutter, dem jüdischen Zahnarzt Oskar Meyer und dem 17-jährigen Kurt, die vom Horror des Krieges, von Rassismus und Antisemitismus berichten – und von der Liebe erzählen.

Die Kritiker/innen haben Geigers berührenden und klugen Roman hoch gelobt. Dabei wurden vor allem Sprache und Stil, die an Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Robert Seethaler, Christoph Ransmayr und Arno Schmidt erinnern, in den Mittelpunkt gestellt. An dieser Stelle sei der Fokus auf eine scheinbare Belanglosigkeit gerichtet, die im Laufe der Geschichte zu einem Monstrum heranwächst: Veit leidet seit seiner Rückkehr an einer posttraumatischen Belastungsstörung. „Plötzlich hatte ich wieder einen nervösen Anfall … Begleitet von Zittern durchfuhren mich die mir schon bekannten Bilder und Ängste. … als gebe es Dinge, von denen man sich nie ganz erholt.“ Veit fängt deshalb an, Pervitin zu schlucken, wobei Geiger den Konsum geschickterweise nur am Rande erwähnt. Das Aufputschmittel wurde von vielen Frontsoldaten genommen, auch Adolf Hitler bekam es durch seinen Leibarzt Dr. Morell ab 1937 injiziert. Das heute als Crystal Meth berüchtigte und in der Drogenszene als „Hitlerspeed“ bezeichnete Methamphetamin sorgt für eine anfängliche Stimmungsaufhellung und Munterkeit. Veit versucht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. kh

Unter der DrachenwandUnter der Drachenwand
von Arno Geiger
Hanser Verlag
gebunden, € 26,00