Rubens – Kraft der Verwandlung

Vom Kopisten zum Meister

No. 04/2017

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts ist reich an genialen Künstlerpersönlichkeiten, zu denen neben dem Italiener Caravaggio, dem Franzosen Poussin, dem Spanier Velazquez oder dem Holländer Rembrandt auch der Flame Peter Paul Rubens (1577–1640) zählt. Ausstellungen über das vielfältige Werk des Antwerpener Malers finden mit schöner Regelmäßigkeit in vielen Museen der Welt statt. Das hat auch damit zu tun, dass Kuratoren aus einem Gesamtwerk von etwa 2000 Gemälden auswählen können, die von Rubens selbst oder aus seiner leistungsfähigen Werkstatt stammen.

Peter Paul Rubens, Die vier Paradiesflüsse, um 1615, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Wien, © KHM-Museumsverband

Die prachtvolle Rubens-Ausstellung, die derzeit in Wien läuft und nächstes Jahr in Frankfurt a. M. zu sehen sein wird, verfolgt einen besonderen Ansatz: Sie beleuchtet den kreativen Entstehungsprozess seiner Gemälde. Der Ausstellungsbesucher soll dem Meister dabei gleichsam über die Schulter schauen. Rubens gilt als Virtuose der Verwandlung. Wie kaum ein Zweiter suchte er Inspiration in den Werken anderer Künstler und erfand seine Kunst dabei in radikaler Weise immer wieder neu.

Zur Ausbildung eines angehenden Künstlers im Abendland gehörte es seit eh und je, bereits existierende Werke, etwa die seines Meisters, zu kopieren. Während es im Bereich der orthodoxen Ostkirche allein darum ging, die als heilig erachtete Ikone möglichst genau zu replizieren, sollte sich der Lehrling im westlichen Europa allmählich von seinen Vorbildern lösen und auf dem Weg zur Meisterschaft seine eigenen Themen, Kompositionen und seinen eigenen Stil entwickeln. Dieser Prozess ist bei Rubens besonders gut nachzuvollziehen. Zu Beginn seiner Antwerpener Lehrjahre kopierte Rubens vielerlei Vorlagen wie etwa Kupferstiche von Hendrick Goltzius. Schon hier zeigte sich seine Begabung, sich Motive anzueignen, diese aber zugleich geistreich zu verwandeln. Von 1600 bis 1608 lebte er in Italien als Hofmaler der kunstliebenden Herzöge von Gonzaga in Mantua. Auf Studienaufenthalten in Venedig, Rom, Florenz, Mailand und Genua konnte er sich intensiv mit der Kunst der Antike sowie der italienischen Malerei der Renaissance und der Gegenwart vertraut machen. In Venedig studierte Rubens vor allem die Malerei von Tizian und Tintoretto, von denen er Bildaufbauten und Kolorit übernahm. Immer wieder übte er sich in anatomischen Studien, indem er Skulpturen abzeichnete wie die Laokoon-Gruppe und den Apoll von Belvedere im Vatikan oder die Statuen Michelangelos für die Medici-Gräber in Florenz – Zeichnungen, die allesamt in der Ausstellung zu bewundern sind. Rubens Rezeption von Caravaggios Grablegung Christi in der römischen Kirche Santa Maria in Vallicella, für die er auch eigene Werke schuf, zeigt exemplarisch, wie er sich das Thema, die Gesamtkomposition und einzelne Figuren aneignete und zugleich verwandelte.

Sein weltgewandtes Auftreten führte dazu, dass Rubens von den Mantuaner Herzögen und später den Habsburgern auf diplomatische Missionen an die Höfe von Madrid, Paris und London gesandt wurde. Auch diese Reisen nutzte der Meister, um die jeweiligen königlichen Gemäldegalerien zu besuchen und sich einen Vorrat an Bildideen anzulegen. Zu dieser Zeit ist Rubens bereits ein Star: Geadelt vom spanischen wie vom englischen König, reich und begehrt, bildete er in seiner Werkstatt zahlreiche Maler aus, von denen die begabtesten wie Anthonis van Dyck oder Jacob Jordaens wiederum die Kunst von Rubens verwandelten, um es zu eigener Meisterschaft zu bringen. wr

Cover für RubensRubens. Kraft der Verwandlung
Bis 21. Januar 2018
Kunsthistorisches Museum, Wien
Ab 8. Februar 2018
Städel Museum, Frankfurt a. M.
Katalog Hirmer Verlag € 49,90