Meer! Farbe!

Im Fahrgeräusch mit Emil Nolde

No. 03/2013

Emil Noldes Bilder gegenüberzustehen hat seinen ganz besonderen Reiz. Es sind nicht nur die Motive, der Pinselstrich, die Zartheit der Aquarelle. Es ist vor allem Noldes magische Farbpalette, die den Betrachter in seinen Bann zieht. Ab 25. Oktober kann man sich im Unteren Belvedere in Wien von zentralen Werken aus dem Œuvre des großen Farbmagiers und Expressionisten verzaubern lassen.

Seine ersten Malversuche unternahm er mit Holunder- und Rote-Bete-Saft. Als Knirps von acht Jahren, der im Dorf Nolde nahe der dänischen Grenze auf dem elterlichen Bauernhof wohnte und Emil Hansen hieß. Erst 1902, als er die Schauspielerin Ada Vilstrup heiratete, änderte er seinen Namen und nannte sich nach seinem Geburtsort Nolde.

Emil Nolde, Am Weintisch, 1911© Nolde Stiftung Seebüll

Emil Nolde, Am Weintisch, 1911 © Nolde Stiftung Seebüll

Sein Berufswunsch stand schon als Kind fest: Maler wollte er werden, nichts anderes. Der Weg bis dahin war mühsam, zunächst arbeitete er auf Wunsch des Vaters in der Landwirtschaft, später wurde er Holzbildhauer, Entwurfzeichner und schließlich Lehrer für gewerbliches Zeichnen. Der unerwartet gute Verkauf seiner Bergpostkarten – grotesk-humorige Darstellungen von Alpengipfeln als Sagen- und Märchengestalten – ermöglichten ihm mit 30 Jahren endlich ein Leben als freier Maler. Bald darauf entdeckte er die Farbe als eigentliches Ausdrucksmittel: „Farben waren mir ein Glück, und mir war es, als ob sie meine Hände liebten“ schrieb er 1940. Ein Jahr später folgte der Schock, das NS-Regime untersagte ihm das Malen und schloss ihn wegen „mangelnder Zuverlässigkeit“ aus der Reichskammer der bildenden Künste aus. Mitten im „schönsten, produktivsten Malen“ sei er gewesen, als ihn das Verbot erreichte.

Er hielt sich nicht daran – konnte es einfach nicht, und in einem verschwiegenen Winkel seines Hauses Seebüll entstanden heimlich über 1300 kleinformatige Aquarelle und Gouachen, meist fantastische Darstellungen: die Ungemalten Bilder.

Asphaltlöwen und Halbweltdamen

Neben den Ungemalten Bildern zeigt die Ausstellung in Wien weitere zentrale Werke aus seinem reichen Œuvre, darunter Landschaften, Meer- und Wolkenbilder, Grafiken, Impressionen von seiner Südseereise, religiöse Bilder und Szenen aus dem Nachtleben Berlins. „Allabendlich um elf zog ich meine dunkle Hose an und auch den schwarzen St. Galler Frack, der nun bald historisch war. Meine Ada ebenfalls zog ihr bestes Kleid an, und wir gingen auf Maskenbälle, in die Kabaretts, in den Eispalast. Und dann gings in öffentliche Lokale, wo fahl wie Puder und Leichengeruch impotente Asphaltlöwen und hektische Halbweltdamen in ihren elegant verwegenen Roben saßen, getragen wie von Königinnen. Und weiter ging es hinein in den Zigarettendunst der Cafés der Morgenstunden, wo Neulinge aus der Provinz, harmlos mit Straßendirnen sitzend, im Sektrausch halb hinschliefen“, schrieb Nolde über das Nachtleben Berlins, das er vor allem in den Jahren 1910/11 als Inspirationsquelle für seine Studien sah. cs

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Emil Nolde – In Glut und Farbe
25. Oktober bis 2. Februar 2014
Im Unteren Belvedere, Wien Ausstellungskatalog
im Hirmer Verlag € 39,90 
und
Emil Nolde,
Reihe Junge Kunst 
Klinkhardt & Biermann € 11,90