Fatal Loyal

No. 03/2017

Mit einer autoaggressiven Szene eröffnet Daniel Magariel seinen Roman Einer von uns: „Danach sind wir frei, sagte ich mir. Das war ich ihnen schuldig. Mit der rechten Hand schlug ich mir auf die rechte Wange, mit der linken Hand auf die linke Wange, wiederholte das Ganze fester, … immer heftiger …“ Der ältere Bruder macht ein Polaroid vom geröteten Gesicht des zwölfjährigen Ich-Erzählers, händigt es dem Vater aus, und der legt es schließlich beim Jugendamt vor. Der aus Kansas stammende und nun in New York lebende Autor erzählt in seinem stark autobiografischen Debütroman eine kurze, arg verstörende Geschichte.

Zwei Brüder und ihr charismatischer Vater verlassen nach der Scheidung und dem gewonnenen Sorgerechtsstreit die Mutter und Kansas, um nach Albuquerque, New Mexico, zu ziehen. Doch allmählich verändert sich der Vater, und er verliert immer mehr die Kontrolle. „In der Regel lief es so: Nachdem er sich eine Woche in seinem Zimmer zugedröhnt hatte und seine Zigarillos nicht mehr den anderen Rauch überdeckten, war er komplett erledigt, schlief erstmal einen ganzen Tag. Am Tag darauf … war Vorsicht angesagt – er war ein Bär. Und mit jedem weiteren Tag verwandelte er sich mehr und mehr in den Vater, den wir kannten.“

Magariel beherrscht es meisterhaft, das aus der Angst geborene Einfühlungsvermögen des Ich-Erzählers in Worte zu gießen. So schildert der Junge nicht nur, wie sein Vater immer tiefer in den Drogensumpf abrutscht. Wir sind auch hautnah dabei, wie ein Heranwachsender zum großen Macker erzogen wird: Sei knallhart, stets loyal und behalte Geheimnisse immer für dich. Im Grunde genommen erzählt Magariel auf 160 Seiten von einem unschuldigen Jungen, der mit kaputten Männlichkeitsidealen vergiftet wird und die Wirklichkeit nur noch verzerrt wahrnimmt. „Meistens fand ich es gar nicht so übel, wenn mein Vater high war. Er war schweigsam, ruhig, entspannt, schlurfte durch die Wohnung oder starrte einfach nur stundenlang aus dem Fenster.“ Der Roman ist wahrlich nichts für die Kamillenteefraktion. So verbünden sich in einer gruseligen Rückblende die Brüder mit ihrem Vater bei der Misshandlung der eigenen Mutter. Magariel beschreibt dies auff allend luzid und schonungslos. Mein Rat: Herzen Sie nach dieser Lektüre ihren Partner und ihre Kinder. kh



Einer von uns
Von Daniel Magariel
C.H. Beck Verlag € 19,95