Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss

No. 02/2013

Von Wilfried Rogasch

Humboldt-Forum im Berliner Schloss, Animation, 2009

Humboldt-Forum im Berliner Schloss, Animation, 2009

Das Berliner Schloss bestand 500 Jahre. Die erste Begegnung zwischen Schlossherren und Berlinern war unerfreulich. Kurfürst Friedrich II. Eisenzahn – nomen est omen – hatte sich 1442 mit einer Heerschar von 600 Reitern gewaltsam Zugang zu Berlin und Cölln verschafft. Berlin musste den Städtebund der Hanse verlassen, es verlor die meisten Rechte wie die niedere und höchste Gerichtsbarkeit, und es musste dem Landesherren unentgeltlich ein Grundstück zum Bau eines Herrschaftssitzes zur Verfügung stellen. Die Wahl fiel auf ein Areal im nördlichen Cölln, also auf der Spreeinsel. 1451 konnte Eisenzahn in seine Burg einziehen. DDR-Historiker sprachen gern von der „Zwingburg des Hohenzollernfeudalismus.“ 500 Jahre später: In den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges blieb das Stadtschloss fast unversehrt. Doch am 3. Februar 1945 entluden 937 alliierte Bomber, begleitet von 600 Jagdflugzeugen, ihre tödliche Last auf das Berliner Zentrum. Nach amerikanischen Schätzungen verloren 20 bis 25 000 Menschen an diesem Tag ihr Leben. Das Schloss war schwer getroffen. Es war jedoch weniger zerstört als etwa das im späteren West-Berlin gelegene Schloss Charlottenburg, die Münchner Residenz oder das Dresdner Schloss. Überall war der politische Wille entscheidend für den Wiederaufbau, in Dresden ist er noch im vollen Gange. Zunächst sah es auch für das Berliner Schloss nicht so schlecht aus. Der erste Stadtrat für Bauwesen nach dem Krieg, Hans Scharoun, zeigte schon im Herbst 1945 die Ausstellung Berlin plant im kaum zerstörten Weißen Saal. Es folgten Moderne französische Malerei, Wiedersehen mit Museumsgut, 1948 die Gedenkausstellung für die Revolution von 1848. Das Schloss war als Ausstellungsort angenommen, zahlreiche Besucher sahen die Ausstellungen. Walter Ulbricht, der Chef der DDR-Regierung, hegte indes den Plan, das Schloss abzureißen, um Platz für ein Aufmarschgelände zu schaffen.

Das Aus für „Erichs Lampenladen“

Im Herbst 1950 erfolgte der Abbruch trotz zahlreicher Proteste, selbst von Kunsthistorikern aus der Sowjetunion. Einzig das Portal IV. blieb erhalten, weil von hier aus Karl Liebknecht am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hatte. Das Portal wurde 1962 in das neue Staatsratsgebäude, etwa 200 Meter von seinem originalen Standort entfernt, eingefügt. Erst 1973 erfolgte die Grundsteinlegung für den Palast der Republik durch Erich Honecker, der 1976 nach einer Bauzeit von weniger als 1000 Tagen eröffnet wurde. Als 2002 der Deutsche Bundestag bei aufgehobenem Fraktionszwang mit 380 zu 133 Stimmen für den Wiederaufbau des Stadtschlosses votierte, bedeutete das auch das Aus für „Erichs Lampenladen“, wie der Palast auf Grund seiner extravaganten Beleuchtung genannt wurde. Viele Ost-Berliner hatten sich den Erhalt des Bauwerks erhoff t. Hier tagte 1990 die Volkskammer, das einzige demokratisch gewählte Parlament der DDR, hier beschloss sie das Beitrittsgesuch zur Bundesrepublik. Den Meinungsumschwung zugunsten des Schlosses hatte 1993 eine Attrappe in Originalgröße bewirkt, die vom Förderverein Berliner Schloss aufgestellt worden war. Mit der Grundsteinlegung am 12. Juni 2013 in Anwesenheit von Bundespräsident Gauck ging eine mehr als 20-jährige Diskussionsund Planungsphase zu Ende. Zunächst hatte hinsichtlich des Nutzungskonzeptes keine Einigkeit bestanden. Die Idee zu einem interdisziplinären Forum für Sammlungen, Ausstellungen, Forschung und Veranstaltungen, benannt nach den Gebrüdern Wilhelm und Alexander von Humboldt, stammt von dem damaligen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Klaus-Dieter Lehmann. Die materielle Grundlage für das Humboldtforum sollen die im abgelegenen Berlin-Dahlem gelegenen Museen für die außereuropäischen Kulturen, das Völkerkundemuseum und das Museum für Asiatische Kunst sein. Hinzu kommen die Sammlungen der Humboldt-Universität und ausgewählte Bestände der Berliner Landesbibliothek. Auf der Spreeinsel werden mit den fünf Museen der Museumsinsel und dem neuen Humboldt-Forum im Berliner Schloss somit nach der geplanten Fertigstellung 2019 eine Übersicht über sämtliche Kulturen der Welt erlebbar sein.

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Das Humboldt Forum im Berliner Schloss Planungen – Prozesse – Perspektiven 
Deutsch/ Englisch
Hg. Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Beiträge von H. Bredekamp, M. Eissenhauer, R. Haas, M. Heller, V. Heller, L.-Chr. Koch, V. König, J.-H. Olbertz, H. Parzinger, B. Probst, U. Rahmann-Steinert, M. Rettig, K. Ruitenbeek, F. Stella, A. Wegner, M. Wemhoff, B. Wolter, M. Wullen
Hirmer Verlag € 19,90