Wiener Zuckerl
Anekdoten eines fleißiges Taugenichts
No. 02/2016
Das Buch vom Süden
Von André Heller
Zsolnay Verlag
„Julians Zuhause war wohlbehütet in dem Sinn, dass nicht Lieblosigkeit, Gemeinheit und Schikaniererei ihn bedrängten.“ In André Hellers Entwicklungsroman Das Buch vom Süden wächst Julian Passauer, Sohn einer jüdischen Familie, nicht nur wohlbehütet, sondern auch „im südlichsten Süden seiner wienerischen Umgebung“ auf: im Schloss Schönbrunn mit seinem Palmenhaus und dem Tropensaal. Dort wohnt er in der Beamtendienstwohnung seines Vaters, dem Vizedirektor des Naturhistorischen Museum.
Julian ist wie sein Vater vom Mediterranen fasziniert und entschließt sich im zweiten Teil des Romans zur „baldigen Auffindung des vollkommenen Südens“. Vorher aber lernen wir das spießige Wien der 1950er und 60er Jahre kennen und folgen Julian, wie er sich aufmacht, die Damenwelt zu erobern und ein „fleißiger Taugenichts“ zu werden. Grandios bizarre Figuren, wie der neun Sprachen beherrschende „Hauswüstling“ Hugo Cartor, der „Warzenkönig“ und Meteoritensammler Grabowiak und der ehemalige Weltklasseschwimmer und Weltkluge Graf Eltz stehen ihm dabei mit Rat und Tat zur Seite. In der zweiten Hälfte des Buches hält der Romanheld dann endlich die Karten des Lebens selbst in der Hand und wird als Profi-Pokerspieler in einem Gartenparadies am Gardasee vorläufig sesshaft.
Kaffee mit Qualtinger und Co.
Da André Heller mit Helmut Qualtinger, Friedrich Torberg, Hans Carl Artmann, Hans Weigel und vielen anderen Persönlichkeiten der österreichischen Kulturszene im legendären Café Hawelka Tausende von Stunden verbracht hat, mag es nicht verwundern, dass er dem Leser famose Anekdoten, Bonmots und Aperçus präsentieren kann. In diesem brillant geschriebenen Buch bekommt aber auch der immer noch in Österreich gärende Nationalsozialismus zur Genüge sein Fett weg. So lässt der Autor Hermann Leopoldi am Konzertende sagen: „Der Adolf Hitler und seine Nazis können mich bis in alle Ewigkeit am Oarsch lecken.“ So sei es. kh
Das Buch vom Süden Von André Heller Gebunden, 336 Seiten Zsolnay Verlag € 24,90