Picasso.Mania

Meisterwerke im Fokus der Gegenwartskunst

No. 04/2015

Von Caroline Clapp

Es gibt Namen, deren bloße Erwähnung eine Welle von Emotionen auslöst: Pablo Picasso ist ein solcher, und so überrascht es nicht, dass aktuell Besucherströme ins Grand Palais in Paris pilgern, um der „Picasso.Mania“ zu verfallen. In der groß angelegten Rezeptions-Schau werden etwa 100 Arbeiten Picassos mehr als 300 Werken moderner Kunst gegenübergestellt. Das Spektrum der Künstler, für die Picasso künstlerischer Bezugspunkt war, reicht von Pop-Art-Künstlern wie Warhol, Lichtenstein, Johns und Hockney über die deutschen Maler-Stars Baselitz, Polke und Kippenberger bis hin zu Positionen der Gegenwartskunst wie Koons oder McCarthy.

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Picasso.Mania – Picasso and the Contemporary Masters

„An Picasso kommt man nicht vorbei – ganz gleich ob einem seine Kunst gefällt oder nicht“, so sieht es die Enkelin Diana Widmaier-Picasso, die wie einige weitere Familienmitglieder die Ausstellung durch Leihgaben bereichert hat. Was begründet den Kult-Status Picassos? Es gibt wohl kaum einen anderen Künstler, der in über 60 Jahren seines Schaffens so viele verschiedene Malstile durchlaufen bzw. hervorgebracht hat und ein Gesamtwerk von mehr als 50000 Arbeiten hinterließ. Die 1907 entstandenen Demoiselles d’Avignon und Guernica aus dem Jahr 1937 gehören zu den Hauptwerken. Diese beiden Ikonen der neueren Kunstgeschichte, auf deren Motiv- und Formensprache sich die Künstler überwiegend beziehen, sind nach wie vor an ihren angestammten Orten im MoMA in New York und im Nationalmuseum Madrid zu sehen, wie auch im Katalog, der die Ausstellung begleitet.

Porträts Picassos auf der Terrasse der Villa Californie von David Douglas Duncan vor: Künstlerisches Genie und überdimensionierte weiße Unterwäsche schienen sich zu bedingen, also stellt sich Kippenberger selbst schmerbäuchig mehrfach in diesem nicht unbedingt kleidsamen Wäschestück dar. David Hockney hingegen setzte in seinen composite polaroids großformatige Porträts aus polyfokalen Ansichten zusammen, wie Picasso in seinen frühen kubistischen Werken aus den Jahren 1908 bis 1916. Der junge britische Künstler Thomas Houseago antwortet mit der monumentalen hohläugigen Gipsskulptur Baby von 2010 auf die Form-Metamorphosen Picassos.

Die Rezeption des Multitalents war großen Schwankungen unterworfen. Das veranschaulicht der englischsprachige Katalog in einem präzise recherchierten chronologisch geordneten Kapitel sehr deutlich. Zwischen den 60er und 80er Jahren galt der Künstler mit seinem Meisterwerksanspruch und seinem Verharren in einer narrativ darstellenden Bildwelt als wenig zeitgemäß. Er musste der Bewunderung für Marcel Duchamp weichen, der mit Readymade und seinem rein intellektuellen Zugang die Konzeptkunst etabliert hatte. Erst mit Picassos 100. Geburtstag im Jahr 1981 sollte sich das ändern, und heute wird er mehr denn je als Genie gefeiert. Die Ausstellung in Paris läuft noch bis zum 29. Februar – sollte eine Reise dorthin nicht möglich sein, könnte der reich bebilderte, umfassende Katalog Abhilfe schaffen. ck

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Bis 29. Februar 2016 Grand Palais, Paris
Katalog zur Ausstellung 
Hrsg. von Didier Ottinger, Diana Widmaier-Picasso, Emilie Bouvard
Hirmer Verlag € 54,–