Aus Luthers Schreibstube

No. 02/2017

Sogenannter Schreibkasten Luthers, 1. Hälfte 16. Jh. © Angermuseum Erfurt, Foto: Dirk Urban

Sogenannter Schreibkasten Luthers, 1. Hälfte 16. Jh. © Angermuseum Erfurt, Foto: Dirk Urban

Der Reformations-Almanach für Luthers Verehrer auf das evangelische Jubeljahr 1817 berichtet detailliert über die Geschichte eines Kästchens aus dem Angermuseum Erfurt, das sich im Besitz Luthers befunden haben soll. Demnach wohnte der Reformator im sogenannten Goldenen Schlösschen, dem Hause des Salzgrafen Joseph Tentzer, als er im Februar 1546 auf seiner letzten Reise nach Eisleben wegen eines Hochwassers der Saale in Halle Station machte. Dort hinterlegte er Teile seines Reisegepäcks, neben einem Stock mit eingelassener Degenklinge und einer „alten Pergamentschale“ auch das kleine hölzerne Schreibkästchen. Da er wenig später, am 18. Februar, in Eisleben verstarb und seine Erben die Stücke niemals abholten, verblieben sie in Halle. Das Kästchen gelangte 1752 über die damals in Erfurt ansässige Wissenschaftsakademie Leopoldina in das Augustinerkloster der Stadt, in dem es bis 1952 in der Lutherzelle ausgestellt wurde.

Gesichert vor fremdem Zugriff

Das aus Buchenholz bestehende Kästchen mit eisernen Beschlägen, das mit dem bis heute erhaltenen Schlüssel vor fremdem Zugriff gesichert werden konnte, bietet mit mehreren Schubkästchen und Fächern viel Stauraum für Federn, Tinte, Siegelwachs und andere Schreibutensilien. Neue dendrochronologische Untersuchungen der verwendeten Hölzer im Vorfeld unserer Ausstellung durch Karl-Uwe Heußner ergaben nicht nur ein Fälldatum des verarbeiteten Baumes „nach 1500“, sondern belegen ihre starke Übereinstimmung mit jenem Material, aus dem verschiedene Holztafeln der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. bestehen. Sie wurden zwischen 1526 und 1528 bemalt, besonders zu der Tafel Bildnis des H. Melber (1526) fällt die Entsprechung auf. Da offenbar die Hölzer für die Gemälde und den Bau des Kästchens vom selben Wittenberger Tischler stammen, kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Überlieferung zutrifft und es sich tatsächlich um Luthers Schreibkästchen handelt.  – Auszug aus dem Beitrag von Mirko Gutjahr, aus: Luther! 95 Schätze – 95 Menschen.

Luther! 95 Schätze - 95 Menschen
Ausstellung bis 5. November Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Wittenberg
Katalog: Luther! 95 Schätze - 95 Menschen
Hg. Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
Beiträge von M. Mosebach, T. Dorn, U. Tellkamp, B. Beuys, H. Münkler, C. Methuen, C. Geyer, A. Vind, C. Dieckmann, E. Straub, V. Leppin, J. Schilling u. a.
Hirmer Verlag € 39,90

Fremdsprachenausgabe: English - LUTHER! 95 Treasures - 95 People