New York Schwarz – Weiß

Pioniere der Fotografie

No. 02/2012

Von Caroline Klapp

Zwischen 1890 und 1950 entwickelt sich Manhattan zum Laboratorium einer neuen weltstädtischen Lebenskultur: zwei Ausstellungen früher amerikanischer Fotografi e in Hamburg und München dokumentieren das aktuell auf eindrückliche Weise. Auf der mythischen Halbinsel wird ein dynamisch pulsierender Lebensstil erprobt und erfunden, der eine ganze Stadt zum Experimentierfeld architektonischer Utopien werden lässt. Die rasant wachsende Skyline, die unablässigen Einwandererströme, die drastischen Folgen sozialer Ungleichheit und Rassismus bieten ganz neue Motive für die Pioniere der Fotografie wie Ansel Adams, Walker Evans, André Kertész, Irving Penn und Man Ray. Ihre Werke sind jetzt, neben denen vieler anderer, in der Ausstellung New York Photography 1890 –1950. Von Stieglitz bis Man Ray im Bucerius Kunst Forum in Hamburg zu sehen. Gezeigt werden 180 Originalabzüge – meist kleiner als eine Zeitungsseite – von 40 Künstlern.

Eine der schillerndsten Persönlichkeiten dieser Aufbruchzeit ist Alfred Stieglitz, der als Herausgeber der Zeitschrift Camera Work elementar zur Etablierung der Fotografie als Kunstform beiträgt und in seiner „Gallery 291“ auf der Fifth Avenue viele der herausragenden Fotografen seiner Zeit erstmals im Kontext moderner Malerei vorstellt. Er selbst zählt zu den bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. In dem von ihm geprägten Piktorialismus geht es darum, den rein dokumentarischen Charakter der Fotografie aufzubrechen und durch eine fast malerische Auffassung, subjektive Gemütszustände und Stimmungen symbolhaft darzustellen. Der reich bebilderte Ausstellungskatalog gibt mit seinen klaren thematischen Zuordnungen einen anschaulichen Überblick über die vielen disparaten Tendenzen in der frühen amerikanischen Fotografie. In München vermitteln die Arbeiten des Magnum-Fotografen Erich Hartmann einen hervorragenden Eindruck davon, wie die nächste Generation mit diesem neuen Selbstverständnis umging, das sich spätestens seit der ersten Fotografie-Ausstellung 1933 im Museum of Modern Art etabliert hatte. Das Amerika Haus zeigt in Zusammenarbeit mit der Magnum Foundation New York und der Münchner Galerie Clair in der Ausstellung New York Stories rund 50 Arbeiten aus den ersten zwölf Schaffensjahren Erich Hartmanns, der – 1922 in München geboren – als 16-Jähriger mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten in die USA flüchtete und mit der US-Army nach Europa zurückkam. Nach der Rückkehr aus dem Krieg 1946, lief Hartmann unermüdlich durch die Straßen New Yorks und fotografierte mit ausgeprägter Sensibilität die kleinen Dramen und Freuden des Alltags. Er wählte die unspektakulären Momente jenseits des Glamours und der schrillen Aufgeregtheit der Metropole. Er fotografierte Bäcker bei der Frühschicht, Hafenarbeiter an den Docks, nächtliche Blumenboten und Lastenträger: Menschen, die ihren alltäglichen Beschäftigungen nach gehen und deren Geschichte unabdingbar mit der New Yorks verbunden ist.

New York Stories 
Bis zum 27. Juli 2012 im Amerika Haus, Karolinenplatz 3 in München, Mo –Fr 10 –17 Uhr, Mi 10 –20 Uhr. 
Der Eintritt ist frei. 
9783777451114_3dnNew York Photography 1890–1950. Von Stieglitz bis Man Ray 
Hg. Ortrud Westheider, Michael Philipp
Hirmer Verlag € 39,90 
Die gleichnamige Ausstellung ist noch bis zum 2. September im Bucerius Kunst Forum in Hamburg zu sehen.