Die Museumsinsel Berlin

No. 03/2012

Von Wilfried Rogasch

Ein neuer Prachtband des Münchner Hirmer Verlages stellt mit eindrucksvollen, meist doppelseitigen Aufnahmen und aktuellen Essays Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Berliner Museumsinsel dar. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es eine derartig dichte und den Besucher überwältigende Zusammenballung von Kunst wie hier im Herzen der deutschen Hauptstadt. München und Dresden belegen den zweiten und dritten Platz – mit eigenen Schwerpunkten, doch mit einigem Abstand zu Berlin.

Alte Nationalgalerie, Kuppelsaal © Foto: Werner Huthmacher

Alte Nationalgalerie, Kuppelsaal © Foto: Werner Huthmacher

Im Unterschied zu den übrigen großen Universalmuseen wie dem Louvre in Paris, dem British Museum in London oder dem Metropolitan Museum in New York besteht die Berliner Museumsinsel aus fünf eigenständigen Solitärbauten. Sie ent standen in einem Zeitraum von exakt 100 Jahren: Auf das Alte Museum (1830) folgten das Neue Museum (1856), die Nationalgalerie (1878), das Bode-Museum (1904) und schließlich das Pergamonmuseum (1930). Doch schon neun Jahre nach Vollendung, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurden die Museen geschlossen und die Kunstwerke an bombensichere Orte gebracht. Einige Objekte wie der Pergamonaltar waren zu groß, um sie abzubauen. Sie wurden an Ort und Stelle eingemauert, um sie vor Luftangriff en zu schützen. Je nachdem, in welchem Teil Deutschlands die aus gelagerten Bestände bei Kriegsende einquartiert waren, gelangten sie nach Ost- oder West-Berlin. Die Bauten der Museumsinsel, im Sowjetischen Sektor gelegen, hatten unter dem Bombenhagel schwer gelitten. Dennoch gelang es der DDR-Regierung, vier der fünf Häuser wiederherzustellen und mit Kunstschätzen zu füllen, welche die Sowjetunion der verbündeten DDR zurückgegeben hatte. Da zahlreiche Werke von den Westalliierten geborgen wurden, eine Rückgabe nach Ost-Berlin im frostigen Klima des Kalten Krieges aber undenkbar war, entstanden in West-Berlin drei Museumsstandorte: in Charlottenburg, in Dahlem und in unmittelbarer Nähe der Berliner Mauer das Kulturforum am Potsdamer Platz.

Weltkulturerbe der Unesco

Hier befinden sich die Neue Nationalgalerie, das Kunstgewerbemuseum, die Gemäldegalerie und das Kupferstichkabinett. Erst die Wiedervereinigung 1990 machte es möglich, die geteilten Sammlungen zusammenzuführen und neu zu ordnen – ein Prozess, der noch Jahre andauern wird. Seit 1999 zählt die Museumsinsel zum Weltkulturerbe der UNESCO. Im gleichen Jahr wurde ein Masterplan erstellt, der bis heute gilt und der die langfristigen Perspektiven der Museumsinsel zum Inhalt hat. Drei der fünf Häuser wurden bislang restauriert, wobei die Wiedereröffnung des Neuen Museums nach Plänen von David Chipperfield am spektakulärsten war. Altes, Zerstörtes und Modernes werden hier auf neuartige Weise miteinander vereint. Zurzeit entsteht ein gemeinsamer Eingang, die James-Simon-Galerie, und die so genannte Archäologische Promenade, eine unterirdische Verbindung aller Häuser, die nur die Nationalgalerie ausklammert. Sie ersetzt die oberirdischen Brücken, die vor dem Krieg die Museen miteinander verbunden hatten. Zu den Zukunftsvisionen zählen vor allem zwei Großprojekte: zum einen die Erweiterung des Bode-Museums, zum anderen das Zusammenspiel mit dem benachbarten Berliner Schloss, das als Humboldt-Forum wieder aufgebaut wird. In den Erweiterungsbau am gegenüberliegenden Spreeufer wird die Gemäldegalerie mit den Alten Meistern einziehen und damit – wie vor dem Krieg – Teil des Bode-Museums sein. Ganz im Sinne Wilhelm von Bodes werden hier, wie erstmals 1904, Gemälde, Skulpturen und Objekte des Kunsthandwerkes gemeinsam präsentiert. Es ist geplant, die Exponate nach Epochen aufzuteilen: der Altbau ist für das Mittelalter und Renaissance vorgesehen, der Neubau für das 17. und 18. Jahrhundert und die (Alte) Nationalgalerie für die Kunst des 19. Jahrhunderts. Das Kulturforum schließlich, mit der frei gewordenen Gemäldegalerie und der Neuen Nationalgalerie, könnte sich dann ganz der Kunst des 20. Jahrhunderts widmen. Der Erweiterungsbau für geschätzte 150 Millionen Euro rückt momentan jedoch in weite Ferne: Zum einen erheben sich viele Stimmen, die gegen den Umzug der erst vor 15 Jahren bezogenen Gemäldegalerie sind. Auch die nötigen Mittel hierfür fehlen der Bundesregierung, die sich derzeit auf den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldtforum konzentriert. Das ebenfalls auf der Spreeinsel gelegene Schloss kann sammlungsgeschichtlich als Vorläufer der Museumsinsel gelten, hatten doch die brandenburgisch-preußischen Herrscher hier seit dem 16. Jahrhundert Kunstwerke zusammengetragen. Schinkels Altes Museum nimmt denn auch Bezug zur gegenüberliegenden Fassade des Schlosses. Als wichtigster Teil des Humboldtforums werden vor allem die völkerkundlichen Sammlungen, jetzt im touristischen Abseits in Dahlem gelegen, auf die Insel übersiedeln. Wenn es gelingt, die außereuropäischen Sammlungen mit den europäischen Sammlungen zusammenzuführen, die indischen, chinesischen, islamischen, afrikanischen, altamerikanischen und ozeanischen Kulturen auf Augenhöhe mit der Antike oder Renaissance und Barock Europas zu präsentieren, wird die Museumsinsel ihrem Anspruch gerecht, im Zeitalter der Globalisierung einen universellen Dialog von Zeiten und Kulturen zu führen.

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Sonderausgabe
Museumsinsel Berlin 
Hrsg. Staatliche Museen zu Berlin
Michael Eissenhauer, Astrid Bähr, Elisabeth Rochau-Shalem
Hirmer Verlag € 39,90 jetzt € 19,90