Thomas Demand: Embassy, 2007

No. 02/2013

Von Cornelia Gockel

Am Anfang stand eine Lüge. Doch je mehr Thomas Demand nach der Wahrheit suchte, desto weniger Beweismaterial konnte er sicherstellen. Aufgeben wollte er deswegen aber nicht. Denn der Künstler hatte sich längst festgebissen in eine Geschichte, die so unglaublich erschien, wie ein Agententhriller.

Embassy heißt der neunteilige Foto-Zyklus von 2007, in dem er uns an seiner Suche nach der Wahrheit teilnehmen lässt. Sie ist einer der Neuankäufe für das Lenbachhaus, die mit Hilfe der KiCo Stiftung erworben wurden. Thomas Demand, von dem auch der Neonschriftzug LENBACHHAUS an der goldglänzenden Fassade des Neubaus stammt, installierte das Werk höchstpersönlich in einem eigenen Raum vor dunkelgrauen Wänden. Die Bilder in unterschiedlich großen Formaten zeigen die Fassade der nigerianischen Botschaft in Rom und geben Einblick in die Innenräume. Es ist ein schlichtes, schmuckloses Gebäude, das nur durch die nigerianische Flagge auf seine Bedeutung verweist. Von der Außenwelt ist die Botschaft durch heruntergezogene Jalousien und eine Holztür mit Gegensprechanlage abgeschirmt. Im Inneren reihen sich die Büroräume entlang eines schmalen Korridors. Durch die halbgeöffneten Türen blickt man auf riesige Schreibtische, auf denen sich Aktenberge und Papierstapel türmen. Schriftzeichen oder Logos sucht man vergeblich in den menschenleeren Räumen.

Bei Embassy ist alles anders

Der 1964 in München geborene und in Berlin lebende Künstler ist durch seine Fotografien von Papiermodellen international bekannt. Als Ausgangspunkt dienen ihm zumeist Bilder aus den Medien, die sich auf aktuelle gesellschaftliche oder politische Ereignisse beziehen. Nach diesen Vorlagen baut er Modelle aus Papier und Pappe im Verhältnis 1:1 und fotografiert sie dann mit der Großbildkamera. Aber bei seinem Zyklus Embassy ist alles anders. Die Geschichte beginnt mit einem Einbruch 2001 in die nigerianische Botschaft in Rom. Da nicht viel mehr als Briefpapier, Stempel und Amtssiegel fehlten, geriet der Vorfall schnell in Vergessenheit. Brisant wird die Geschichte erst Jahre später, als der damalige US-Präsident George W. Bush in seiner Rede 2003 behauptete, dass Saddam Hussein im großen Umfang „Yellowcake“ kaufen wolle, um damit Atomwaffen zu produzieren. Als Beweis legte er Schriftstücke aus der Botschaft der Republik Niger vor, welche der US-Regierung zugespielt worden waren. Die Dokumente dienten ihm als Rechtfertigung für seinen Angriffskrieg gegen den Irak. Im Nachhinein stellten sie sich als plumpe Fälschung heraus, die zuvor schon italienischen Magazinen angeboten, aber nicht veröffentlicht worden waren. „Es hat mich gewundert, dass es keine Fotos dazu gab“, erzählt Demand: „Die einzige Methode, an Bilder für Embassy heranzukommen, war, selber hinzugehen.“ Ähnlich wie ein investigativer Journalist versuchte er mit Tricks Einlass in die Räume zu bekommen. Um dem Ort möglichst nahe zu sein, mietete er sogar ein Zimmer im selben Haus drei Stockwerke über der Botschaft. „Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht mit dem Handy fotografieren könnte“, berichtet er: „Ich war in dem Vorzimmer, wo die Fahne steht und merkte bald, dass jemand hinter der Tür stand. Ich dachte: Wenn die mich da sehen, dann fliege ich sofort raus. Die alten Handys machten auch noch keine guten Fotos, und ich habe dann sofort aufgegeben, weil ich gemerkt habe, dass mein Gedächtnis viel besser ist.“ Aus der Erinnerung heraus hat er dann mit einem Architekten ein Modell der Botschaft von Niger gebaut und darin fotografiert. Herausgekommen ist eine inszenierte Fotoreportage über einen fiktiven Tatort. Sie dokumentiert Demands vergebliche Suche nach Antworten auf seine Fragen. Die Wahrheit findet man vielleicht anderswo.