Der magische Moment

Wenn die Welt zum Mythos wird

No. 04/2013

Obwohl sie Zeitgenossen waren, phasenweise in den selben Städten lebten, sogar die gleichen Modelle malten und beide von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts geprägt wurden, sollen sie sich nie begegnet sein. Max Beckmann und Otto Dix, die beiden großen Vertreter der Neuen Sachlichkeit, des „magischen Realismus“, treffen nun in der Ausstellung Mythos Welt aufeinander. Zum ersten Mal stehen sich ihre Werke in dieser Ausschließlichkeit gegenüber.

Es hat etwas von der knisternden Spannung, die entsteht, wenn zwei Platzhirsche die Lichtung betreten. Lässt einer dem anderen den Vortritt, kommt es zum Schulterschluss oder konkurrieren sie miteinander? Es ist nicht hoch genug zu loben, dass die Ausstellungsmacher in der Mannheimer Kunsthalle Max Beckmann und Otto Dix, die beiden herausragenden figurativen Maler der Weimarer Republik, gemeinsam in ihrem Museum präsentieren. Zwei Künstler, deren Werke Analogien aber auch Diskrepanzen aufweisen, treten in einen interessanten, mitreißenden Dialog über Realität und künstlerische Idee.

Während Max Beckmann (1884– 1950) in gutbürgerliche Verhältnisse geboren wurde, stammte Otto Dix (1891–1969) aus einer Arbeiterfamilie. Beckmann absolvierte eine akademische Ausbildung, bevor seine Karriere einen kometenhaften Aufstieg in Berlin nahm. Dix führte sein Weg nach einer Lehre als Dekorationsmaler an die Königliche Kunstgewerbeschule in Dresden. Beide nahmen am Ersten Weltkrieg teil, beide begriffen den Krieg und seine Schrecken als „Stimulanz für ihr Schaffen“, wie es im Ausstellungskatalog heißt. Für ihre Zeitgenossen waren sie eine künstlerische Alternative zur Abstraktion wie auch zum Expres- sionismus und wurden als Prophe- ten der deutschen Moderne angeehen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 unterbrach sowohl das künstlerische Schaffen von Max Beckmann, der nach Amsterdam emigrierte, als auch von Otto Dix, der sich ins „innere Exil“ an den Bodensee zurückzog. In dem Jugendstilgebäude der Mannheimer Kunsthalle, in der 1925 der Begriff der Neuen Sachlichkeit in einer Ausstellung geprägt wurde, wird nun nach jahrelanger Generalsanierung die Neueröffnung mit der Gegenüberstellung der Werke von Beckmann und Dix gefeiert.

Lässig und skeptisch

Der Ausstellungsrundgang beginnt mit einem „Prolog im Atelier“. Während das Selbstbildnis von Max Beckmann den Besucher in lässiger Jacke und mit Pfeife im Mundwinkel willkommen heißt, mustert Otto Dix im korrekten Anzug mit Fliege den Betrachter eher skeptisch bis grimmig. In weiteren 14 Themenräumen werden 265 Gemälde und Grafiken, darunter hochkarätige Schlüsselwerke aus Leihgaben internationaler Museen und Privatsammlungen präsentiert. Ein Wiedersehen mit den Werken gibt es im nächsten Jahr in der Münchner Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, wo die Ausstellung vom 11. April bis 10. August gastieren wird. um

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Dix/Beckmann Mythos Welt
Kunsthalle Mannheim Bis 23. März 2014
Hg. Roger Diederen, Ulrike Lorenz, Beatrice Von Bormann, Beatrice von Bormann
Katalog zur Ausstellung Hirmer Verlag € 39,90