Der Sammler Max Liebermann

Schätze in Klein-Versailles

No. 04/2013

Von Wilfried Rogasch

Max Liebermann ist der führende Meister des deutschen Impressionismus und gleichzeitig einer der wichtigsten Kunstsammler der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Seine hochkarätige Sammlung wird derzeit in Berlin in seiner Villa am Wannsee gezeigt.

1847 in eine jüdische Industriellenfamilie in Berlin geboren, studierte Max Liebermann an der Weimarer Kunstschule, bildete sich in Paris und in den Niederlanden fort, lebte seit 1878 in München und seit 1884 wieder in Berlin. Liebermann begann mit naturalistischen, dunkeltonigen Bildern arbeitender Menschen, wandte sich dann aber einer lichteren Farbigkeit zu, besonders in Bildern aus Holland, wo er alljährlich den Sommer verbrachte. In Amsterdam verwendete er 1880 erstmals das Motiv des durch ein Laubdach gefilterten Lichts, die so genannten Liebermannschen Sonnenflecken. Durch die Beschäftigung mit den französischen Impressionisten und mit Frans Hals fand er zu einem freien Malstil und schwungvollen Farbauftrag.

Max Liebermann, umgeben von seiner Sammlung, 1931 Foto: Fritz Eschen: SLUB Dresden / Abt. Deuscthe Fotothek, Fritz Eschen

Max Liebermann, umgeben von seiner Sammlung, 1931 Foto: Fritz Eschen: SLUB Dresden / Abt. Deuscthe Fotothek, Fritz Eschen

1892 zog er mit seiner Frau Martha und der Tochter Käthe in das Palais Liebermann, direkt nördlich an das Brandenburger Tor angrenzend, in dem er auch seine Jugend verbracht hatte. „Wenn man nach Berlin reinkommt, gleich links“ lautete die berühmte Adresse des Malers. Zu dieser Zeit war Liebermann bereits ein anerkannter Maler, der viele Preise erhalten hatte. Nach dem Tod seines Vaters 1894 erbte er das Palais und ein großes Vermögen, das 1913 6,1 Millionen Mark bei Jahreseinnahmen von 400.000 Mark betrug. Das Erbe gestattete es Liebermann, als Kunstsammler im großen Stil aufzutreten. Die Repräsentationsräume des Hauses richteten die Liebermanns mit Antiquitäten, meist französischen Möbeln und Gobelins des 18. Jahrhunderts ein, die mit zeitgenössischer französischer Malerei kombiniert wurde. Auf dem Dach befand sich das Atelier des Malers.

Als Refugium vor der Hektik Berlins ließ sich Liebermann 1909/10 eine Sommervilla am Wannsee im Stil der klassizistischen Villen der Hamburger Elbvororte erbauen, die er zärtlich „mein Schloss am See“ oder leicht ironisch „Klein-Versailles“ nannte. Was für Monet der Garten in Giverny war, sollte für Liebermann das Seegrundstück am Wannsee werden. Der Garten inspirierte ihn zu mehr als 200 Ölbildern und ebenso vielen Grafiken. Die Räume der Villa stattete er wie das Stadtpalais mit Teilen seiner Kunstsammlung aus.

Seinen ersten Manet erwarb Liebermann 1892 im Tausch mit einem eigenen Gemälde, ein Porträt, das er von dem Kunstsammler Carl Bernstein anfertigte. Im Laufe der Zeit gelangten 15 weitere Gemälde und ein Aquarell von Édouard Manet in die Sammlung Liebermann. Außerdem besaß er 14 Bilder von Honoré Daumier, drei Gemälde von Claude Monet, mehrere Ölbilder und Pastelle von Edgar Degas, sowie Gemälde von Paul Cézanne, Gustave Courbet, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir, Théodore Rousseau, Henri de Toulouse-Lautrec und Vincent van Gogh. Daneben sammelte er deutsche Maler wie Adolph Menzel sowie ostasiatische Kunst, vor allem klassische japanische Holzschnitte.

Von 1920 bis 1932 war Max Liebermann der einflussreiche Präsident der Preußischen Akademie der Künste. Am Abend der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 zog ein Fackelzug der neuen Machthaber durch das Brandenburger Tor direkt an Liebermanns Haus vorbei. „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte“ war der viel zitierte Kommentar Liebermanns zur neuen politischen Realität. Wenige Wochen später, am Tag nach der Bücherverbrennung, legte er den Ehrenvorsitz der Akademie nieder. 1935 starb Liebermann 87-jährig, verbittert und von den Nationalsozialisten verfemt. Seine Witwe nahm sich 1943 das Leben, als ihre Deportation ins KZ Theresienstadt drohte. Der Tochter und Enkeltochter gelang die Flucht vor den Nationalsozialisten. Die Kunstsammlung ist heute über die ganze Welt zerstreut. Das Palais Liebermann wurde 1943 durch Bomben zerstört. Nach der Wiedervereinigung entstand das Gebäude im Sinne einer „kritischen Rekonstruktion“ erneut.

Die Liebermann-Villa am Wannsee, noch immer ein Geheimtipp unter Berlin-Touristen, ist ein Juwel. Haus und Garten wurden von der Max Liebermann-Gesellschaft vorbildlich rekonstruiert. Vom Frühjahr bis Herbst lockt der wunderschöne, üppige Garten. Doch auch im Winter lohnt der Besuch: Bis zum 3. März 2014 ist dort die Kunstsammlung von Max Liebermann zu sehen.

9783777421735
Verlorene Schätze
Die Kunstsammlung von Max Liebermann 
Liebermann-Villa am Wannsee Bis 3. März 2014
Max Liebermann – Die Kunstsammlung 
Hirmer Verlag € 49,90